Pater Josef Schröder zwischen Seelsorge und Großkapital

Josef Schröder trat im Alter von 19 Jahren in das Noviziat der Gesellschaft des Göttlichen Wortes ein.

Anfang der 1980er Jahre füllte er so manche Seite in westdeutschen Nachrichtenmagazinen und Wochenzeitungen wie „Der Spiegel“, „Stern“ und „Zeit“, und auch in der heutigen Zeit wird sein Name noch in vielen Büchern genannt – aber kaum jemand außerhalb unseres Dorfes weiß, dass er aus Wimbern stammt.

Josef Schröder wurde am 24. Februar 1917 als Sohn des Landwirts Karl Schröder und seiner Frau Maria Theresia (geb. Spieckermann) in Wimbern geboren. Von 1923 bis 1931 besuchte er zunächst die Volksschule in Wimbern und später das Gymnasium in Menden.1

Anschließend war er Schüler in den Missionshäusern St. Arnold (Neuenkirchen) und St. Michael (Steyl, Holland). Nach dem Abitur im Jahre 1936 trat Josef Schröder in das Noviziat der Gesellschaft des Göttlichen Wortes ein. Er zog mit seinem gesamten Kurs in das Missionshaus St. Gabriel in Mödling (Österreich).

Knapp ein halbes Jahr nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, aber bald schwer verwundet.2 Später galt er wegen einer Rippenfell­entzündung als Kriegsinvalide.3 Er setzte sein Theologiestudium fort – allerdings an der Universität in Wien, weil das Missionshaus St. Gabriel zu dieser Zeit beschlagnahmt und die Theologische Hauslehranstalt geschlossen war.

Am 25. März 1944 wurde Josef Schröder gemeinsam mit vier Mitbrüdern (am Boden liegend) zum Priester geweiht. Die Zeremonie in der Apostelgasse in Wien statt.
Pater Schröder (Zweiter von rechts) mit Mutter Maria Theresia Schröder (Mitte) und Schwester Maria Haarhof (Zweite von links) in Wien. Die Personen rechts und links sind nicht bekannt.

Im Jahre 1943 band er sich mit dem Ewigen Gelübde für immer an die Steyler Missionsgesellschaft SVD. Am 25. März 1944 wurde er von Theodor Kardinal Innitzer (* 25. Dezember 1875 in Neugeschrei, Böhmen; † 9. Oktober 1955 in Wien) in der Apostelgasse in Wien zum Priester geweiht. Einen Tag später feierte er seine Primiz in der Pfarrkirche St. Gabriel.4 Seine Heimatprimiz in der Barger Pfarrkirche folgte am 23. Juli.

Die Festpredigt hielt – in Gedanken und Stimme ausgezeichnet – ein Freund des Primizianten von Wien her, der Salvatorianerpater Roland Macho, Dr. theol., Pfarrer von St. Michael in Wien.

Pfarrarchiv Barge, Chronik der Filialgemeinde Barge
Am 23. Juli 1944 fand in der Barger Pfarrkirche die Heimatprimiz von Pater Josef Schröder statt. Das Mädchen mit der Kerze ist vermutlich Adelheid Fildhaut, die beiden anderen sind nicht bekannt.

Nachmittags fand eine Dankandacht mit Primizsegen statt. Der damalige Pfarrvikar in Barge, Paul Stratmann, vermerkte hierzu in der Pfarrchronik:

Leider konnte ihm von der Gemeinde kein Primizgeschenk gegeben werden, da nichts mehr zu beschaffen war.

Pfarrarchiv Barge, Chronik der Filialgemeinde Barge

In den folgenden Monaten war Pater Josef Schröder sehr stark in die Arbeit der Pfarrgemeinde Barge integriert.

Die Christmette 1944 wurde zum erstenmal als Levitenamt gefeiert: Pfarrv. Stratmann, Pater Blank, Pater Schröder. Letzter hielt in meisterhafterweise die Festpredigt. Die Kirche war überfüllt von Gläubigen.

Pfarrarchiv Barge, Chronik der Filialgemeinde Barge

Noch konkreter wurden seine Aufgaben umschrieben, als es um Ereignisse des Jahres 1945 ging.

Am Fronl. Fest am 30. Mai 1945 war um 8 Uhr Levitenamt mit nachfolgender Prozession. Die Festpredigt in der Lütgenheide hielt Pater Schröder. Mit der Rückkehr P. Blanks nach Driburg übernahm P. Schröder die Seelsorge in der Sonderanlage in Wimbern, den Religionsunterricht für die größeren Knaben und Mädchen …, den Beichtstuhl vor der Frühmesse mit Predigt. Nachdem er mit Zustimmung der Erzbischöfl. Behörde in der Sonderanlage eine würdige Kapelle eingerichtet hatte, schied er im Dezember 1945 von Barge. Pfarrvikar Stratmann und seine Gemeinde bewahren ihn in dankbarer Erinnerung an seinen vorbildlichen Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen, besonders auch für alles, was er an Mühen aufgewandt hat, das prächtige neue Geläut und Behelfsturm zu beschaffen.

Pfarrarchiv Barge, Chronik der Filialgemeinde Barge

Was genau Pater Josef Schröder in den Jahren zwischen 1946 und 1949 gemacht hat, ist nicht überliefert. Im Januar 1946 taucht sein Name nochmals in der Barger Pfarrchronik auf.

Die Glockenweihe fand am 27. Januar, am Sonntagnachmittag unter großer Beteiligung der Gemeinde in der Kirche statt. Pater Schröder hielt die Festansprache.

Pfarrarchiv Barge, Chronik der Filialgemeinde Barge

Darüber hinaus, so heißt es im von Pater Franz Helm verfassten Nachruf über Schröder, sei er bis 1949 als Krankenhaus-Seelsorger tätig gewesen. Dies erscheint plausibel, denn der Wimberner Pater mischte sich nicht nur in die Streitigkeiten zwischen den beiden Schwesternschaften des Barackenkrankenhauses ein5, sondern fungierte von Wimbern aus auch als „Beauftragter des Caritasverbandes für das Krankenhaus Wimbern“. In dieser Funktion versuchte er, Einfluss auf den Fortbestand des Hauses zu nehmen und Missstände aufzudecken.6

Als sicher gilt, dass Pater Josef Schröder ab 1949 zunächst in Bad Driburg und später in St. Augustin tätig war.

… kam P. Schröder im Jahr 1949 als Prokurator nach St. Xaver (Bad Driburg, Deutschland). Die Sorge um die zeitlichen Güter, um ein wirtschaftliches Fundament für die Tätigkeiten des Missionsordens, wurde sein persönliches Missionsfeld und seine Lebensaufgabe. Besonders intensiv ging er dieser wichtigen, aber auch oft schwierigen und undankbaren Aufgabe von 1969 bis 1978 im Missionspriesterseminar St. Augustin bei Bonn als Provinzprokurator und über Jahre auch als Hausökonom nach. In diesen Jahren musste viel gebaut werden … Auch waren umfassende Renovierungsmaßnahmen im Missionspriesterseminar notwendig, um das durch Kriegseinwirkungen stark beschädigte Haus instand zu setzen.

P. Franz Helm SVD, Nachruf auf Pater Josef Schröder SVD, 23. September 2003

Eine besondere Sicht der Dinge – oder einfach nett umschrieben…

Wir springen ins Jahr 1966. Pater Josef Schröder war inzwischen Provinzprokurator, also so etwas wie der „Finanzminister“ der Steyler in Deutschland. Der ebenfalls aus Wimbern stammende Steyler Pater Josef Bilge verwaltete von Rom aus alle Ordens-Finanzen. Schröder war gleichzeitig Geschäftsführer der Soverdia (=Societas Verbi Divini, Gesellschaft für Gemeinwohl mbH ist ein Wirtschaftsunternehmen des Ordens der Steyler Missionare)7 und musste

… Geld für Neu- und Umbauten in St. Augustin beschaffen, so auch für das nach dem Ordensgründer benannte Arnold-Janssen-Haus, eine Tagesstätte für Bildungskurse und Exerzitien.

N.N.: „Alle reicher“, in: Der Spiegel 2/1982, S. 30

Um die dringend benötigten Finanzmittel aufzutreiben, schrieb er Briefe an rund 50 Bundestagsabgeordnete mit der Bitte um Hilfe. Von wie vielen Adressaten er eine Rückantwort bekam, ist unbekannt – in einer Quelle ist von zehn8, in einer anderen von nur einem9 die Rede. Die einzig positive Reaktion jedenfalls kam vom damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Walter Löhr aus Darmstadt. Dieser war in den 1960er Jahren zugleich Schatzmeister des hessischen CDU-Landesverbandes. Doch der wollte selbst kein Geld spenden, sondern Pater Schröder einen Weg aufzeigen, an Geld zu kommen.

„Eines Tages rief mich Löhr an“, erinnert sich der Pater, „und bat mich, ihn in seiner Wohnung in Bonn aufzusuchen. Dort eröffnete er mir dann, er habe eine Möglichkeit, mir zu helfen. Er erklärte, er könne mir … größere Beträge erlangen. Als Geschäftsführer von Soverdia sollte ich Spendenquittungen über größere Beträge ausstellen.

N.N.: „Alle reicher“, in: Der Spiegel 2/1982, S. 30

Auch soll bei dem Gespräch zwischen Pater Schröder und Löhr, so schrieb „Der Spiegel“, konkret besprochen worden sein, wie weiter zu verfahren sei.

Von den frommen Gaben, so hat Löhr laut Schröder dann dargelegt, sollten an den Spender „80 Prozent zurückfließen… Von den verbleibenden zwanzig Prozent sollte Löhr für seine politischen Aufgaben die Hälfte erhalten, während der Rest der Soverdia für die genannten Aufgaben verbleiben sollte. Ich war über dieses Angebot angesichts meines oben erwähnten Finanzbedarfs sehr erfreut, zumal Löhr mir in Aussicht stellte, derartige namhafte Spenden würden sich in Zukunft wiederholen.“

N.N.: „Alle reicher“, in: Der Spiegel 2/1982, S. 30
Besuch im Heimatdorf Wimbern: Pater Josef Schröder (Mitte) gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich (rechts) und seinem Schwager Willi Haarhof (links).

So geschah es fortan. Diverse Firmen des Flick-Konzerns wie Feldmühle AG, Dynamit Nobel AG und Eisen-Werkgesellschaft Maximilians­hütte spendeten namhafte Summen zwischen 200.000 und 500.000 Mark. Die Spendenschecks, die allesamt das Kennwort „Projekt Steyl“ trugen, zahlte Pater Josef Schröder dann auf ein eigens dafür eingerichtetes Bankkonto beim Schweizerischen Bankverein in Luzern ein.10 Darüber hinaus flossen weitere „kleinere“ Spenden an die Soverdia11, die der aus Wimbern stammende Geistliche sehr „eigenwillig“ quittierte und verbuchte – doch dazu später mehr.

Erneuter Szenenwechsel, diesmal ins Jahr 1975. Friedrich Karl Flick (* 3. Februar 1927 in Berlin; † 5. Oktober 2006 in Auen am Wörthersee), Besitzer des Flick-Konzerns und Milliardär, ließ den Chef der Deutschen Bank, Franz Heinrich Ulrich, wissen, dass er seine Aktienanteile (immerhin 39 Prozent) an Daimler Benz verkaufen wolle. Mit dem Schah von Persien habe er einen Interessenten. Dieser sei bereit, für die Aktien in jedem Fall 20 Prozent über dem Börsenkurs zu bezahlen.

Der Chef der Deutschen Bank war beunruhigt und entsetzt. Da bereits die Kuwaitis Anteile an Daimler gekauft hatten und die Deutsche Bank ebenfalls 28,5 Prozent an Daimler besaß, fürchtete er, dass der Schah den Kuwaitis ihren Anteil auch noch abkaufte und damit die Mehrheit an dem deutschen Nobel-Konzern erhielt. Er überredete Flick, nur 29 Prozent der Aktien zu verkaufen und zwar jetzt an die Deutsche Bank, die auf den Preis der Perser einstieg. Flick sollte dafür 1,9 Milliarden Mark erhalten. Nach geltendem Steuerrecht waren darauf rund 50 Prozent Steuern fällig, also knapp eine Milliarde Mark. Dieser Fakt missfiel dem Konzernlenker sehr.12

Auf politischer Ebene erklärte unterdessen Bundeskanzler Helmut Schmidt (* 23. Dezember 1918 in Hamburg-Barmbek; † 10. November 2015 in Hamburg-Langenhorn) hingegen, dass er nach der Veräußerung des Aktienpakets durch Flick „keine steuerlichen Tricks zulassen werde“. Dies nahm der neue Generalbevollmächtigte von Flick, Eberhard von Brauchitsch (* 28. November 1926 in Berlin; † 7. September 2010 in Zürich), sorgenvoll zur Kenntnis – er wusste allerdings, dass es keine leichte Aufgabe sein würde, die Steuerzahlung aus dem Gewinn des Aktienverkaufs zu verhindern. Seine Strategie: Millionen verteilen, um Milliarden zu retten.13

Und diese Millionen sollten aus den „schwarzen Kassen“ fließen, die Pater Josef Schröder geholfen hatte zu füllen…

Im beschaulichen, von Düsseldorf rund 70 Kilometer entfernten St. Augustin war der aus Wimbern stammende Pater indes nach wie vor als Provinzprokurator tätig und kümmerte sich auch darum, Spendengelder zu sammeln und den Gönnern geldwerte Vorteile zu verschaffen. Was er allerdings nicht wusste: Direkt gegenüber des dortigen Missionshauses, im Gebäude der Finanzverwaltung, hatte am 1. Februar 1974 Klaus Förster seine Arbeit als Chef der Steuerfahndung aufgenommen14 – und eben dieser Klaus Förster, sein Instinkt und seine Hartnäckigkeit sollten am Ende nicht nur Pater Josef Schröder Probleme bereiten, sondern einen der größten politischen Skandale um versteckte Parteispenden in der Bundesrepublik Deutschland ans Tageslicht bringen15.

Wir springen ins Jahr 1978, genauer gesagt in den November. Bei den Steuerfahndern in St. Augustin gab es eine neue Ermittlungsakte, die das Aktenzeichen 41 Js 178/78 trug. Bei dieser ging es um „Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Kloster“. Das Finanzamt Siegburg hatte bei einer routinemäßigen Prüfung des gewerblichen Teils des Klosters, der durch die Soverdia mit Sitz in Nettetal-Kaldenkirchen an der holländischen Grenze abgewickelt wurde und die das gesamte Vermögen des christlichen Ordens ihr eigen nennt, einige merkwürdige Entdeckungen gemacht:

  • Steuerpflichtige, die ab und an mal einen Hunderter ans Rote Kreuz spendeten, tauchten hier als ausgesprochen großzügige Spender auf – mit Summen zwischen 5000 und 10.000 Mark.
  • Selbst solche edlen Spender, die seit langem aus der Kirche ausgetreten waren, gaben sich ausgesprochen gönnerhaft.
  • Die Listen der spendablen „Wohltäter“ wiesen die neue Postadressierung auf, die erst seit 1976 galt. Die „Wohltäterliste“ könnte, so der Verdacht des Finanzamtes, vielleicht erst nachträglich zusammengestellt worden sein.16

Das Interesse der Steuerfahnder in St. Augustin um Klaus Förster war geweckt – und sie wurden fündig.

Nachfragen bei den edlen Spendern lösen kreative, aber nicht zu widerlegende Antworten aus – die Frau Gemahlin eines Geschäftsmannes habe wider Erwarten eine Operation überstanden und ob der göttlichen Gnade sei ein überproportionales Dankeschön monetärer Art doch nur eine Kleinigkeit. Nur eine Apothekerin bekommt Gewissensbisse. Sie gesteht den Fahndern freimütig: Für ihre 1.000 DM-Spende habe sie eine Bescheinigung in Höhe von 5.000 DM erhalten. Das habe sie als attraktiv empfunden. Denn die Spende habe sie daraus locker aus der Steuerrückerstattung finanzieren können. Und noch einen Überschuss dazu.

http://www.anstageslicht.de/themen/steuerflucht/steuerfahnder-klaus-foerster-flick-parteispendenaffaere/chronologie-klaus-foerster-parteispendenskandal-teil-2/, abgerufen am 24. Oktober 2018

Sie rechnete dies den Steuerfahndern vor: Für die beim Finanzamt eingereichte Spendenquittung über 5000 Mark bekäme sie eine Steuer-Rückerstattung in Höhe von 2500 Mark. Wenn sie hiervon die tatsächliche Spende abziehen würde, erwirtschafte sie einen Überschuss in Höhe von 1500 Mark.

Das reichte den Steuerfahndern. Sie beantragten einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss für die Soverdia in St. Augustin.17 Diese Durchsuchung der Geschäftsräume war ein voller Erfolg. Die aufgefundenen Unterlagen förderten vor allem einen Großspender zutage, der mit 3,5 Millionen der größte beziehungsweise edelste Spender zu sein schien: der Flick-Konzern. Dieser geisterte seit mehreren Jahren durch die Gazetten wegen seiner ständigen Steuerbefreiungsanträge für den 1,9-Milliarden-Mark-Verkaufsgewinn aus dem Daimler-Benz-Aktienpaket. Darüber hinaus entdeckten die Steuerfahnder weitere Hinweise auf Steuervergehen, unter anderem auch auf ein Tarnkonto in Luzern.18

Doch damit gab sich die Steuerfahndung nicht zufrieden. Deren Leiter Klaus Förster schaltete nun den Bonner Staatsanwalt Karl-Josef Paltzer ein – einen gläubigen Katholiken.19

Und deshalb will er das, was ihm Regierungsdirektor Klaus Förster, der Leiter der Steuerfahndungsstelle Sankt Augustin, am 8. November 1979 am Telephon erzält, auch gar nicht glauben.

Ein Pater namens Josef Schröder, der das Vermögen der Steyler Mission in Sankt Augustin verwalte, berichtet Förster, kassiere seit Jahren vom Flick-Konzern Millionenspenden, vermerke darüber aber nichts in seinen Büchern.

Der Ordensbruder betreue diverse Bankkonten, darunter eines beim Schweizerischen Bankverein in Luzern. … Förster regt an, der Sache nachzugehen. Staatsanwalt Paltzer beschlagnahmt Belege bei den Banken und vernimmt in Sankt Augustin vier Ordensgeistliche. Einer von ihnen ist der Provinzial­obere Paul Zepp, ordensrechtlich der Vorgesetzte von Schröder.

Er hat bereits mit Bruder Josef über „den hier anstehenden Fragenkomplex“ gesprochen, beruft sich aber „als Seelsorger“ auf seine Schweigepflicht. Eines allerdings stellt Zepp klar: Er habe Pater Schröder „keinen Auftrag erteilt, Geld in die Schweiz zu überweisen“.

Die karge Mitteilung hilft den Fahndern nicht weiter. Sie vermuten, daß Schröder einen Teil des Geldes in die eigene Tasche gesteckt hat. Und deshalb wird gegen den Pater wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung und Untreue ermittelt …

Der Soverdia-Finanzverwalter hat zwar, wie alle seine Brüder, das Gelübde der Armut abgelegt. Aber so manche Finanztransaktion, die er mit Flick-Direktoren abgewickelt hat, macht den Staatsanwalt stutzig. Steuerfahnder schildern Schröder in Vermerken als „schillernde Persönlichkeit“, die einen „sehr aufwendigen Lebensstil“ führt. Mit Flick-Geldern.

N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29

Das wollte der Staatsanwalt jetzt ganz genau wissen – er beantragte einen Durchsuchungsbeschluss für die Flick-Konzernzentrale. Am 23. Januar 1980 rückten vier Fahnder in der Möchenwerther Straße in Düsseldorf-Oberkassel an. Eher zufällig stieß Steueramtmann Günther Bolz dabei auf die Flick-interne Telefon-Durchwahlnummer „260“. Diese kannte er aus den Aufzeichnungen von Pater Schröder. Dieser Anschluss, so wurde er auf Nachfrage aufgeklärt, gehöre Rudolf Diehl, dem Leiter von Flicks Konzern-Buchhaltung. Dieser wiederum gab an, er habe „weisungsgemäß die Zahlungen abgewickelt, die Weiterbelastung an die Konzerntöchter vorgenommen und den Eingang der Spendenbescheinigungen überwacht. Er kenne Pater Schröder, der ihn auch persönlich in der Firma aufgesucht habe.“20

Im Keller der Konzernzentrale fanden die Ermittler überdies Hinweise darauf, dass auch Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch von den Spenden an die Soverdia gewusst habe, was dieser allerdings bestritt.

Er wisse nur, daß an die Steyler Missionare gespendet worden sei. Aber das sei wahrlich „nichts Besonderes“, vielmehr werde Flick-Geld an die evangelische wie an die katholische Kirche „weitgehend gleichmäßig“ verteilt. Es handele sich hierbei um „echte Spenden, und Rückflüsse der gespendeten Gelder an den Flick-Konzern“ seien nicht erfolgt.

N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29

Die Steuerfahnder glaubten von Brauchitsch kein Wort, nur eine Aussage von Pater Josef Schröder konnte ihnen jetzt weiterhelfen.21 Doch dieser stand für Auskünfte nicht mehr zur Verfügung – die Steyler Missionare hatten ihn bereits im Jahre 1978 nach Albaum im Sauerland (zur Gemeinde Kirchhundem gehörend) versetzt. 1979 trat er dann eine Seelsorgestelle in der Schweiz an.22 Während das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete, Anfang 1980 sei Pater Schröder in Küßnacht bei Zürich tätig gewesen,23 schrieben die Steyler Missionare, dass er in der Schweiz zu den Kommunitäten Marienburg/Rheineck und dann Mariahilf/Steinhausen gehört habe.24

Ende Februar 1980 meldete sich dann Pater Schröder doch noch zu Wort. Der Bonner Rechtsanwalt Klaus Hohlfeld enthüllte in seinem Auftrag

.. in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft das raffiniert eingefädelte Spendengeschäft:

Von jährlich einer Million Mark, die das Unternehmen der Soverdia spendete und von der Steuer absetzte, gingen stets 800 000 Mark, am Fiskus vorbei, an Flick zurück. 100 000 Mark kassierte der – inzwischen verstorbene – CDU-Bundestagsabgeordnete Walter Löhr, der das einträgliche Geschäft vermittelte. Die restlichen zehn Prozent verblieben der Soverdia.

Pater Schröder, berichtete sein Anwalt, habe den Flick-Anteil alljährlich einem „Herrn Jäger in der Schweiz“ überbracht, anfänglich in bar, später durch Schecks zu Lasten des Kontos der Steyler Missionsgesellschaft beim Schweizerischen Bankverein in Luzern.

N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29/30
Pater Josef Schröder bei einer Trauung Ende 1982 in der St. Michaels-Kapelle in Werringsen.

Kurze Zeit später traf sich von Brauchitsch mit zwei hochrangigen Steyler Missionaren.

Pater Ökonom Franz Heek, der die materiellen Güter des Ordens verwaltet, und Pater Rektor Werner Prawdzik waren von einem Flick-Chauffeur in Sankt Augustin abgeholt und in die Firmenzentrale nach Düsseldorf gefahren worden. …

Die Padres berichten von markigen Worten des Flick-Managers. „Dieses Haus hat durch Jahrzehnte eine exzellent saubere Geschäftsführung. Dieser Pater Schröder ist wohl verrückt“, wird Brauchitsch zitiert; bei Flick sei die Staatsanwaltschaft „auf einer falschen Fährte“. Der „blöde Pater“ habe sich von dem CDU-Abgeordneten Löhr manipulieren lassen, und jetzt habe „Schröder, dieser Idiot, ein Geständnis abgelegt“, um den eigenen Kopf zu retten. Er, von Brauchitsch, lasse sich „beide Hände abhacken, wenn auch nur eine Kleinigkeit an der Behauptung von Pater Schröder wahr ist“.

N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 30

Darüber hinaus versuchten die Anwälte des Flick-Konzerns in den darauffolgenden Tagen und Wochen, die Glaubwürdigkeit von Pater Schröder zu erschüttern. Doch dieser meldete sich erneut zu Wort – und stattete seinen Anwalt mit umfangreichem Beweismaterial aus,

das den Flick-Buchhalter Diehl stark belastet und einen früheren Hinweis Eberhard von Brauchitschs, das Spendengeld sei von der Schweiz direkt an den Vatikan gegangen, als Finte entlarvt. Hohlfeld übergibt den Ermittlern die Photokopien von Verrechnungsschecks und Kontoauszügen, und er schildert am Beispiel des Jahres 1976 detailliert, wie das Spendengeschäft abgelaufen ist, diesmal ohne Bankier Jäger:

Von Basel aus fährt Schröder am 29. November 1976 mit der Taxe nach Luzern, wo er um 16 Uhr, kurz vor Schalterschluß, beim Schweizerischen Bankverein erwartet wird. Der Pater schreibt einen Scheck über 800 000 Mark aus. Von den 800 Tausendmarkscheinen, die ihm ausgezahlt werden, behält die Bank vier, ein halbes Prozent Provision.

Unverzüglich fährt Schröder mit dem Taxi, das er vor dem Bankgebäude hat warten lassen, nach Basel zurück und erreicht dort den letzten Zug nach Bonn. Von dort fährt er, weil er sich mit dem vielen Geld nicht sicher fühlt, wiederum mit einer Taxe ins Kloster St. Augustin.

Am anderen Morgen, den 30. November, reist Schröder zu Flick-Buchhalter Diehl nach Düsseldorf und übergibt ihm, wie verabredet, in dessen Arbeitszimmer acht Päckchen mit 796 Tausendmarkscheinen.

Rudolf Diehl geht an seinen Schreibtisch, drückt einen kleinen Knopf – das Zeichen für die Sekretärin, ihn bitte nicht zu stören. Diehl zählt alle acht Päckchen sorgfältig nach und legt das Geld in einen Schrank seines Arbeitszimmers. Den Schlüssel steckt er ein.

Die Geldübergabe vollzieht sich alljährlich nach dem gleichen Ritual. Bei einer Vernehmung im Grenzort Lörrach erzählt Schröder alle Details. Die Fahnder sind ein erhebliches Stück weiter.

N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 30/31

Die Staatswanwaltschaft und die Steuerfahndung waren mit diesen Aussagen zwar einen großen Schritt weitergekommen, die politische und juristische Aufarbeitung des Parteispenden-Skandals sollte aber noch Jahre in Anspruch nehmen – allerdings ohne Pater Josef Schröder. Gegen diesen erließ im Jahre 1981 das Amtsgericht Bonn einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung über 360 Tagessätze zu je hundert Mark.

Bei der recht milden Strafe von 36 000 Mark blieb es, so die Bonner Staatsanwaltschaft, weil sich der Gottesmann auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschränkt, in keinem Fall zum eigenen Nutzen gehandelt und obendrein ein umfassendes Geständnis abgelegt habe.

N.N.: „Alle reicher“, in: Der Spiegel 2/1982, S.30

Im Januar 2001, als die Gesundheit nicht mehr mitspielte, zog Pater Josef Schröder schließlich ins Missionshaus St. Gabriel in Wien um.

Im Freinademetzheim lebte er freundlich und bescheiden im Kreis der Mitbrüder, schätze das Gespräch und kleine Spaziergänge im Park und nahm regen Anteil am Geschehen in der Gemeinschaft. Am 18. September (Anmerkung der Red.: des Jahres 2003) wurde er wegen plötzlich auftretender Schmerzen in das Hartmannspital in Wien gebracht. Überraschend verstarb er dort zwei Tage danach.

P. Franz Helm SVD, Nachruf auf Pater Josef Schröder SVD, 23. September 2003

Seine letzte Ruhestätte fand Pater Schröder auf dem Friedhof des Missionshauses St. Gabriel in Maria Enzersdorf bei Wien (Österreich).

  1. Pfarrnachrichten St. Johannes Baptist Menden-Barge, Nr. 20/1985 ↩︎
  2. P. Franz Helm SVD, Nachruf auf Pater Josef Schröder SVD, 23. September 2003 ↩︎
  3. Pfarrnachrichten St. Johannes Baptist Menden-Barge, Nr. 20/1985 ↩︎
  4. P. Franz Helm SVD, Nachruf auf Pater Josef Schröder SVD, 23. September 2003 ↩︎
  5. Kreisarchiv Altena, Bestand B Nr. 2367; Brief vom 5. Dezember 1946 ↩︎
  6. Kreisarchiv Altena, Bestand B Nr. 2367; Brief vom 13. November 1946 ↩︎
  7. https://de.wikipedia.org/wiki/Soverdia, abgerufen am 11. Oktober 2018 ↩︎
  8. N.N.: „Alle reicher“, in: Der Spiegel 2/1982, S. 30 ↩︎
  9. http://www.anstageslicht.de/themen/steuerflucht/steuerfahnder-klaus-foerster-flick-parteispendenaffaere/chronologie-klaus-foerster-teil-1/, abgerufen am 11. Oktober 2018 ↩︎
  10. N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29 ↩︎
  11. http://www.anstageslicht.de/themen/steuerflucht/steuerfahnder-klaus-foerster-flick-parteispendenaffaere/chronologie-klaus-foerster-parteispendenskandal-teil-2/, abgerufen am 23, Oktober 2018 ↩︎
  12. http://www.anstageslicht.de/themen/steuerflucht/steuerfahnder-klaus-foerster-flick-parteispendenaffaere/chronologie-klaus-foerster-teil-1/, abgerufen am
    Oktober 2018 ↩︎
  13. vgl. ders. ↩︎
  14. vgl. ders. ↩︎
  15. https://de.wikipedia.org/wiki/Flick-Affäre, abgerufen am 24. Oktober 2018 ↩︎
  16. http://www.anstageslicht.de/themen/steuerflucht/steuerfahnder-klaus-foerster-flick-parteispendenaffaere/chronologie-klaus-foerster-parteispendenskandal-teil-2/, abgerufen am 24. Oktober 2018 ↩︎
  17. vgl. ders. ↩︎
  18. vgl. ders. ↩︎
  19. N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29 ↩︎
  20. vgl. ders. ↩︎
  21. vgl. ders. ↩︎
  22. Pfarrnachrichten St. Johannes Baptist Menden-Barge, Nr. 20/1985 ↩︎
  23. N.N.: „Dieser Idiot hat ein Geständnis abgelegt“, in: Der Spiegel 5/1985, S. 29 ↩︎
  24. P. Franz Helm SVD, Nachruf auf Pater Josef Schröder SVD, 23. September 2003 ↩︎