
Anfang 1970 schaute die Welt auf das Dorf Wimbern und seine Pockenisolierstation.
Die Genehmigung des Neubaus des Krankenhauses in Wimbern war mit der Auflage erteilt worden, die geplante Pockenstation für Nordrhein-Westfalen auf dem gleichen Gelände zu errichten. Im Oktober 1967 begannen die Baumaßnahmen mit den ersten Abmessungen. Diese schritten schnell voran, sodass am 28. Mai 1968 das Richtfest gefeiert werden konnte. Schon Ende des Jahres konnten die ersten Schwestern die Isolierstation beziehen, welche sie bei einer Pockenerkrankung innerhalb von vier Stunden räumen mussten.
Am 12. Februar 1969 wurde die Pockenstation von Pater Gottschlich eingeweiht. Schwester Ewaldina Funke schreibt in der Chronik der Krankenhaus- Kommunität, dass „die anwesende Geistlichkeit, wie auch die Herren der weltlichen Behörden“ den Wunsch äußerten, „dass das Haus doch nie dem eigentlichen Zweck zu dienen brauche“.
Am 15. Januar 1970 erreichte die Schwestern die Nachricht des ersten Pockenalarms. Schon einen Tag später räumten sie ihre Zimmer, um den an dem Pockenvirus erkrankten B. Klein, 20 Jahre, aus Meschede um 14 Uhr aufzunehmen. Dieser infizierte sich wahrscheinlich während einer Reise in Pakistan. Seine Eltern, Geschwister, Freunde und ärztliches Personal wurden als Kontaktpersonen in Wimbern aufgenommen. Der Mescheder wurde zunächst im St.-Walburga-Krankenhaus in Meschede behandelt. Am 28. Januar konnten viele der Kontaktpersonen aus der Quarantäne-Station in das Matthias-Claudius-Heim in Eversberg entlassen werden, um dort noch die restlichen 18 Tage abzuwarten, ob eine eventuelle Erkrankung auftrete. In den folgenden Tagen wurden noch weitere infizierte Patienten des Mescheder Krankenhauses eingeliefert.

Am 29. Januar starb die 17jährige Schwesternschülerin B. Berndt, die am 26. Januar eingeliefert worden war – sie war das erste Wimberner Pockenopfer. Mitarbeiter des Soester Gesundheitsamtes sowie des Wickeder Ordnungsamtes brachten die Leiche der Verstorbenen zur Einäscherung nach Dortmund in das Krematorium.

Nach Bekanntwerden des ersten Todesopfers brach eine panikartige Unruhe in der Bevölkerung aus. Sonderzüge aus dem Ruhrgebiet ins Hochsauerland für Wintersportler blieben leer, Autofahrern mit dem Kennzeichen Meschede wurden Tankstellen verweigert. Des Weiteren wurde Patienten aus den Pockengebieten die Behandlung in einigen Krankenhäusern verwehrt.
Neben der Schwesternschülerin verstarb der an Pocken erkrankte Herr Hömberg, 80 Jahre aus Meschede, aufgrund einer Herzschwäche. Das dritte Pockenopfer war der Tippelbruder Herr Kapot aus Köln. Auch er hatte sich im Mescheder Krankenhaus angesteckt. Eine 81jährige Ordensschwester aus Meschede war das letzte Todesopfer.

Anfang Februar begannen die freiwilligen Impfaktionen zum Schutz vor den Pockenviren in den Kreisen Meschede, Arnsberg und Lippstadt. Am 3. Februar besuchten Vertreter der Weltgesundheitsorganisation die Pockenisolierstation in Wimbern und sprachen sich lobend über die geleistete Arbeit der Schwestern aus. Der ersterkrankte Mescheder konnte am 21. März 1970 die Pockenisolierstation verlassen.
Die Schwestern Caritalis, Elidia und Monigunda erhielten für ihren selbstlosen und freiwilligen Einsatz während der Pockenepidemie von Januar bis März 1970 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.
Durch die Pockenepidemie und ihre übertriebene Darstellung in der Presse wurden das Sauerland und seine Einwohner in eine Situation manövriert, „die sie von der Umwelt als Ausgestoßene erscheinen lässt“. Diese Situation und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen konnten nur allmählich überwunden werden. Ein Zeitzeuge erinnert sich:
Die Furcht vor der Seuche hatte im gesamten Sauerland eine Panik ausgelöst. Auswärtige Firmen lehnten es ab, ihre Wickeder Vertragsfirmen zu besuchen. Das Fernsehen hatte die Mitteilung über die Pockentoten in Wimbern verbreitet und damit die Hysterie potenziert.
Erinnerungen eines Zeitzeugen
Auch der 20jährige Ersterkrankte wurde von der Presse und von Seiten der Bevölkerung verurteilt. Die Bevölkerung entwickelte eine Hysterie, die nicht zuletzt auch von der Presse verursacht worden war. Das wurde besonders bei dem Abtransport der Pockenopfer deutlich.
Man musste nur sagen, dass man aus Wimbern kommt, das bedeutet so viel wie „unrein“!
Pater Maximilian Kopiets SVD, Krankenhausseelsorger in Wimbern.
Zum 1. Juli 1983 wurden per Gesetz die Pockenimpfung und der Pockenalarmplan außer Kraft gesetzt, da die Welt als pockenfrei erklärt wurde. Dadurch stellte sich für die Schwestern die Frage nach der Verwendung des Gebäudes. Nach langen Beratungen entschied die Ordensleitung der Steyler Missionsschwestern, dass aus der Pockenisolierstation ein Altenheim werden solle. Dieses wurde bereits am 1. Oktober 1983 eröffnet.