Teurer Punsch in Wimbern

Das Gemälde eines Hauses, im Vordergrund ist eine Kutsche mit Pferden zu sehen
Die Poststation zu ihrer Blütezeit – dieses Bild hängt noch heute im Speiseraum des Restaurants „Alte Poststation“.

Durch das Umsteigen waren viele Reisende zu kürzerem oder längerem Aufenthalt in Wimbern gezwungen. In der Passagierstube drängten sie sich um den Ofen, um so viel wie möglich von der kostbaren Wärme aufzunehmen, denn die Postkutschen hatten derartige Annehmlichkeiten nicht zu bieten. So barg beispielsweise ein altes Mütterchen seine kalten Füsse in einem mitgebrachten Heusack, während sich in einer Hinterstube die Postillione und Postknechte die Zeit mit Kartenspielen verkürzten.

Natürlich kam stellenweise auch Frust auf, wie bei einem Kaufmann aus Elberfeld, der einen dampfenden Punsch bestellt hatte und bei der Bezahlung seiner schlechten Laune freien Lauf ließ: Seine Rechnung belief sich auf fünf Silbergroschen – auf der Nachbarstation in Menden kostete der Punsch aber nur vier Silbergroschen.

Außerdem kamen die Anwohner der Nachbarschaft sowie der Nachbardörfer, um Postsachen und Zeitungen abzuholen. Eine Zustellung von Briefen und Paketen erfolgte bei der Fahrpost nicht, vielmehr wurden die Empfänger von Postsachen benachrichtigt und fanden sich dann zum Abholen bei der Posthalterei ein. Dieses Prozedere galt auch für die Bezieher einer regelmäßig erscheinenden Tageszeitung.

1840 wurden folgende Zeitungen in unserer Gegend gelesen:

  • „Cölnische Zeitung“: Frau Wwe. Schlünder, Direktor Zintgraff (Wickede) und Herr Sümmermann (Scheda), Herr Heidfeld (Rentmeister auf Höllinghofen), Herr Bering und Herr Liebrecht (Wickede
  • „Westfälischer Merkur“: Herr Heidfeld und Herr Bering
  • „Elberfelder Zeitung“: Herr Sümmermann.

Darüber hinaus verstand es sich von selbst, dass in der Passagierstube die ersten Neuigkeiten ausgetauscht wurden.

Am 23. November 1839 starb der zweite Posthalter Nikolaus Georg Christoph Schlünder. Seine Witwe Margarethe (geborene Becker) wurde seine Nachfolgerin. Die Posthalterei bewirtschaftete sie mit Unterstützung von Geschwistern ihres verstorbenen Mannes, darüber hinaus kümmerte sie sich um die sehr umfangreiche Landwirtschaft sowie die Gastwirtschaft – offenbar sehr erfolgreich, denn es finden sich zahlreiche lobende Erwähnungen aus jener Zeit. So schrieb der Schriftsteller Friedrich von Matthison (* 23. Januar 1761; † 12. März 1831 in Wörlitz bei Dessau):

Iserlohn, den 21. Julius 1829

Im ganzen ein unfruchtbarer Tag, besonders Vormittags, wo die schlecht unterhaltene Chaussee uns durch die Moorflächen, jedoch dem Ziele, welches Düsseldorf ist, immer näher und näher führt. Wir passieren Lippstadt, Soest, Werl, Wimbern, hinter welcher Station die Gegend lachend und reizend wird. Besonders anmuthig ist ein reich angebautes, von der Roer in malerischen Krümmungen durchströmtes Thal. Von Wimbern bis hierher ist die Chaussee eine der Besten.

Schriftsteller Friedrich von Matthison über eine Reise mit der Postkutsche

Eine junge Gutsbesitzertochter reiste im Jahre 1843 mit ihren Eltern von Pommern nach Frankreich. Über diese Reise hat sie ein Tagebuch geführt. Die Gruppe war von Stettin über Berlin bis Braunschweig mit der damals schon existierenden Eisenbahn gefahren. Von Braunschweig aus wurde der dorthin vorausgeschickte Reisewagen benutzt. Am 13. Oktober 1843 kam sie von Geseke über Soest nach Wimbern.

Um 6 Uhr kamen wir hier an und sind auf einer Poststation und Gasthof zugleich. Es gefällt mir hier aber sehr gut, das Haus liegt so einzeln ländlich, daß es mir ganz gemütlich vorkommt.

Eine junge Gutsbesitzertochter im Jahre 1843 über die Poststation in Wimbern

Im Buch „Wanderungen durch das Ruhrthal von Erhard Löbker“, das dieser 1852 verfasste, ist zu lesen:

Von Fröndenberg zur Posthalterei Wimbern 1 3/4 St.

Guter Gasthof bei Schlünder. Der Weg führt über die Ruhrbrücke durch Kornfelder und Wiesen neben der weißen Kapelle in Schwitten vorbei (3/4 St.) wieder auf die Landstrasse von Menden.

Bei der Posthalterei Wimbern (Strassennummer 8,57) führt die Strasse geradeaus nach Werl, rechts ab über Voswinkel (9,00), Neheim (9,60) nach Arnsberg (11,4).

Aus dem Buch „Wanderungen durch das Ruhrthal von Erhard Löbker“, 1852

1847 bis 1862 

Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der Postverkehr Am Schlünder seinen Höhepunkt. In der Familienchronik von Josef Bering ist zu lesen, dass dieser im Jahre 1840 mit der Schnellpost nach Berlin fuhr, um in Potsdam beim Militär einzutreten. Diese Reise dauerte 40 Stunden, was damals als große Leistung angesehen wurde.

Die Menge der Post, die an der Poststation Wimbern umgeschlagen wurde, ergibt sich aus einer Anzahl noch vorhandener Verträge der Familie Schlünder aus den Jahren 1852, 1856, 1862 und 1868.

So musste laut eines Kontrakts aus dem Jahr 1853 die Familie Schlünder 24 Pferde, vier Postkutschen und die erforderlichen Beiwagen sowie Packereiwagen und Karriolen (Briefpostwagen) diensttauglich zur Verfügung stellen. Zeitweise sollen in den Ställen bis zu 60 Pferde gestanden haben. Wahrscheinlich beinhaltete diese Zahl die Tiere, die für die Landwirtschaft und die Pferdezucht eingesetzt wurden.

Darüber hinaus war in dem Vertrag die Anzahl der Postillione, die „zuverlässig dem Trunke nicht ergeben, des Weges kundig, im Fahren und Reiten geübt, im Blasen der Postsignale erfahren und mindestens 17 Jahre“ alt sein mussten, auf sieben festgesetzt. Mit dem Wagenmeister, den Post- und Pferdeknechten und dem Hauspersonal waren somit – ohne Familienmitglieder – mindestens 25 Personen im Posthaus, die betreut werden mussten.

Der Posthalter der Station Wimbern war Unternehmer, zugleich aber auch Beamter als Vorsteher der Postanstalt Wimbern mit dem Titel „Postexpedient“.

Der Getränke- und Speiseumsatz in der Poststube war umfangreich und somit eine gute Einnahmequelle. Die mündliche Überlieferung besagt, dass die Einnahmen in der Gaststätte so gut waren, dass von der Posthalterin am Abend das eingenommene Geld in der Schürze in die Privaträume getragen wurde.

Bereits im Jahre 1823 übertrug die Postverwaltung dem Posthalter Christian Schlünder neben der Personenbeförderung auch die Betreuung einer Postexpedition in seinem Hause zur Annahme und Verteilung der Korrespondenz. Einige Jahre danach war diese sogar zu einer überregionalen Postverteilstelle zwischen Werl, Neheim, Hüsten, Hachen, Balve und Menden erweitert worden. Im Jahre 1850 wurde sie selbstständig. Bislang hatte der Posthalter mit dem Postamt Arnsberg abrechnen müssen.

Zu der Zeit hieß es in der Postanschrift übrigens „Wickede bei Wimbern“.

Ab 1856 übergab Margarethe Schlünder die Posthalterei und die Landwirtschaft an ihren Sohn Christian. Beide haben mit sehr viel Geschick den für damalige Verhältnisse stets steigenden Verkehr der Poststation in Wimbern mit Bravour gemeistert.