Maßnahmen griffen nicht immer

Auch in Wimbern gab es bald nach Kriegsbeginn polnische und russische Kriegsgefangene, die als sogenannte Fremd- oder Zwangsarbeiter auf den Bauernhöfen eingesetzt wurden. Deren Situation beleuchtete ein Artikel in der „Mendener Zeitung“:

Ein Mann steht neben einem Pferd und einem Fohlen
Der Zwangsarbeiter Stanis aus Polen arbeitete auf dem Hof Caspar Bilge.

Umgang mit Kriegsgefangenen ist verboten und wird bestraft

Seit dem ersten Eintreffen der Kriegsgefangenen ist durch Presse und Rundfunk verkündet worden, daß der Umgang mit Kriegsgefangenen verboten ist und strengstens bestraft wird. Immer aber gibt es noch Volksgenossen, die unbelehrbar zu sein scheinen. Davon zeugte der gestern am Mendener Gericht verhandelte Fall gegen den 71 Jahre alten Landwirt L. aus Hüingsen, Amt Menden.

Im Juni d. J. wurde ihm ein polnischer Gefangener für seinen landwirtschaftlichen Betrieb zugewiesen. Gleichzeitig erhielt er ein Verordnungsblatt mit den Bestimmungen über den Umgang mit Kriegsgefangenen. Der Angeklagte hatte aber, wie er bei der Verhandlung dem Richter glaubhaft zu machen versuchte, das Verordnungsblatt aber nicht gelesen, sondern es achtlos beiseite. Bis heute hatte der Angeklagte noch keine Bekanntschaft mit dem Strafgericht gemacht. Die Anklage warf ihm vor, daß er mit dem polnischen Gefangenen eine Tischgemeinschaft gehabt hätte, was bekanntlich verboten ist. Außer dem polnischen Kriegsgefangenen beschäftigte der Angeklagte eine Arbeitsmaid aus dem Reichsarbeitsdienstlager Lendringsen, die mit dem Gefangenen an einem Tisch zusammen sitzen mußte. Der Angeklagte erklärte vor Gericht, daß die gemeinsame Haustafel nur an einem Tag gewesen wäre, da an diesem Tage seine Frau krank gewesen wäre. Die Zeugenaussage der Arbeitsmaid ergab, daß sie 4-5 Tage mit dem Gefangenen und der Familie zusammengegessen hätte. Der Angeklagte soll u.a. auch einmal gesagt haben, bei ihm könne der Gefangene ruhig mit den übrigen Angestellten am Tisch essen. Der Angeklagte gab diese Äußerung auch zu, will aber in Unkenntnis gehandelt haben. Er habe nicht vorsätzlich gegen das Gesetz verstoßen wollen. Die Arbeitsmaid meldete eines Tages ihrer Lagerführerin diesen Zustand. Daraufhin wurde dem Angeklagten die Hilfe der Maid entzogen. Dazu erfolgte die Anzeige wegen Verstoßes gegen das Gesetz über den Umgang mit Kriegsgefangenen. Seiner Schwiegertochter gegenüber soll der Angeklagte geäußert haben, daß für ihn das Gesetz über den Umgang mit Kriegsgefangenen nicht bestehe. Die Schwiegertochter hat das dem Mädel weiter erzählt. Vor dem Gericht wollte die als Zeugin geladene Schwiegertochter keine Aussagen machen. Der Angeklagte wurde aber durch die einwandfreien Aussagen der Arbeitsmaid überführt.

Der Vertreter der Anklage beantragte gegen den Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 70 RM, im Nichtbeitreibungsfalle eine Gefängnisstrafe von
14 Tagen. Nach dem Strafgesetzbuch besteht die Möglichkeit, auf eine Geldstrafe zu erkennen, wenn es sich um einen älteren, bisher unbescholtenen Menschen handelt und der Fall als gering angesehen werden kann. Nur so war es dem Anklagevertreter möglich, eine Geldstrafe zu beantragen. Nach längerer Beratung erkannte das Gericht auf die vom Vertreter der Anklage beantragte Geldstrafe in Höhe von 70 RM. Das Gericht betonte in der Urteilsbegründung, daß man nur mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten auf eine Geldstrafe hätte erkennen können. An sich sehe das Gesetz in diesem Falle nur eine Freiheitsstrafe vor.

Möge allen unbelehrbaren Volksgenossen dieser Fall zur Belehrung dienen. Es ist tief bedauerlich, daß es heute noch Volksgenossen gibt, die nicht den richtigen Abstand den Gefangenen gegenüber zu wahren wissen. Halte sich jeder vor Augen, wie grausam und verabscheuungswürdig unsere Volksgenossen von den Polen behandelt worden sind. Ein Angehöriger dieses Volkes verdient nicht, mit einem Deutschen an einem Tisch zu sitzen.

„Mendener Zeitung“ vom 16. August 1940

Ähnliche Berichte fanden sich in der „Mendener Zeitung“ auch im Jahr 1941. Die Titel lauteten beispielsweise „Was machst du, wenn du mit Kriegsgefangenen zu tun hast?“1 oder „Wahrt den Abstand zu allen Fremdvölkern“2.

Zwangsrekrutierte, polnische und russische Kriegsgefangene arbeiteten auch in Wimbern auf den Bauernhöfen in der Landwirtschaft, vor allem, wenn die Bauern zum Kriegsdienst eingezogen worden waren und die Frauen den landwirtschaftlichen Betrieb alleine führten. Auf den Dörfern generell griffen die gegen Zwangsarbeiter gerichteten Maßgaben und Regeln nicht immer, wie auch der obige Zeitungsartikel zeigt.

Durch Zeitzeugen ist bekannt, dass in Wimbern auf einigen Höfen polnische und russische Zwangsarbeiter eingesetzt waren und mit der Familie am Tisch essen konnten. Allerdings wurden durch Angehörige der SS auf den Höfen Kontrollen durchgeführt. Wenn sich eine solche Kontrolle näherte, musste – so war es abgesprochen – der Zwangsarbeiter samt seinem Essgeschirr schnell auf seiner Kammer verschwinden.

Auf dem Hof Caspar Bilge arbeiteten der Russe Antek und der Pole Stanis, der auf dem oben stehenden Foto abgebildet ist. Auf dem benachbarten Hof Korte war der Zwangsarbeiter Stefan eingesetzt. Bei der Familie Franz Fildhaut (Gaststätte) half die Russin Helena, die ihre zwölfjährigen Zwillingskinder (Nadia und N.N.) mitgebracht hatte, die aber – von oben verordnet – nicht zur Schule gehen durften.

Als der Krieg 1945 vorbei war, kam es in Wimbern nicht zu Übergriffen der nun befreiten polnischen und russischen Fremdarbeiter, weil sie von den Menschen vor Ort im Prinzip anständig behandelt worden waren.

  1. „Mendener Zeitung“, 19.08.1941 ↩︎
  2. „Mendener Zeitung“, 22.09.1941 ↩︎