Die Entstehung des Schützenwesens in Deutschland reicht bis weit ins Mittelalter zurück. Doch auch wenn wir glauben mögen, die Wiege der Schützenbruderschaften müsse im Sauerland gestanden haben, so stammen die ältesten urkundlichen Erwähnungen von Schützengilden im 12. Jahrhundert aus dem Rheinland.1
Aus etwa derselben Zeit (um 1220) – das zeichnete „Wimbern • Eine Chronik“ 2014 anschaulich nach – datieren die ältesten erhaltenen urkundlichen Erwähnungen des Ortsnamens „Wingeberne“.
Die Geschichte der Schützen in unserem Dorf dürfte wohl nicht ganz so weit zurückreichen. Es liegen auch keine Quellen vor, die belegen würden, dass Wimberner Schützen jemals „nach dem Feinde“2 geschossen hätten. Wahrscheinlich aber haben sich die Menschen hier im Ort auch damals schon nachbarschaftlich unterstützt, wenn Haus und Hof in Kriegszeiten, bei Seuchengefahren und Glaubensstreitigkeiten in Gefahr gerieten. Eine Polizei im heutigen Sinne, die ordnungsrechtliche Aufgaben wahrnahm und Gefahrenabwehr leistete, geht in unserer Region ja erst auf das 1794 verfügte allgemeine preußische Landrecht zurück.
Dass es zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem Schützen in Wimbern gegeben hat, ist mehrfach dokumentiert und in der Chronik „100 Jahre Schützenbruderschaft St. Johannes in der Gemeinde Wimbern“ im Einzelnen belegt. Unter anderem hatte der Mendener Pfarrer H. E. Zumbroich 1789 an das Generalvikariat in Köln berichtet:
Dergleichen Schützen-Bruderschaften sind auch zu Schwitten und Wingbern gewesen, wovon aber jetzt weiter nichts mehr existiert, als dass die Wingberer Baurschaft noch jährlich in der Kapelle zu Werringsen eine sogenannte Schützenmesse halten lässt, und dafür das Stipendium mit 30 Stüber bezahlt.3
Ob diese „Wingberner“ Bruderschaft allerdings als Selbstschutzgemeinschaft gewirkt hatte, um Ort und Höfe
vor Gesindel, brandschatzenden Banden und Räubern4
zu schützen und zu verteidigen, ist nicht gesichert. 1891, als die Schützen sich zu ihrer Neugründung als „Bruderschaftsverein zu Wimbern“ in der Gaststätte Bürmann am Stakelberg trafen, war die Gefahrenabwehr jedenfalls kein Thema mehr. Als Hauptmotiv wies die Gründungssatzung vielmehr aus,
Eintracht, Geselligkeit und Frohsinn in geeigneter Weise zu beleben.
Auch wenn es seitdem mehrere Satzungsänderungen und auch gescheiterte Versuche dazu gab, war und ist die wechselseitige Verbundenheit im Dorf und in der Bruderschaft immer das eigentliche Anliegen unserer Bruderschaft geblieben. Bereits der Vereinsstempel auf der ersten Innenseite des Protokollbuchs von 1891 bringt dies zum Ausdruck.
Viele der in der Gründerliste erscheinenden Familiennamen sind, wenn auch zum Teil in veränderter Schreibweise, bis heute im Dorf oder in den Stammbäumen der Einwohner präsent: Beringhoff, Bettermann, Göke, Großkettler, Gurris, Knieper, Koerdt, Nadermann, Risse, Schüpstuhl gehören dazu.5 Familiengeschichte, Dorfgeschichte und Vereinsgeschichte sind vielfach eng verwoben. Der Beitrag unseres amtierenden Schützenkönigs Franz Korte in der Chronik ist dafür nur ein Beispiel.
Dass sich viele „Poahlbürger“ bei den Schützen heimisch fühlen und dass es „alten Schützenadel“ gibt, wird kaum jemanden überraschen. Kontinuität und das Bewahren von Traditionen wird den Schützenbruderschaften ja quasi als Wesenskern zugeschrieben.
Fakt ist aber auch, dass die Bruderschaft heute über 420 Mitglieder zählt, und längst nicht alle leben in Wimbern. Die noch immer wachsende Zahl der Vereinsmitglieder ist zumindest ein Indiz dafür, dass die Integration neuer Nachbarn seit der Gründungszeit über weite Strecken gelungen ist. Vor allem in der Nachkriegszeit und über den Bau unserer Schützenhalle (1967) hinaus, kann diese auch und gerade in der Bruderschaft erbrachte Integrationsleistung kaum überschätzt werden. Mit dem Verlust der Wimberner Eigenständigkeit im Zuge der kommunalen Neugliederung (1969), der Schließung der Dorfschule (1969) und später auch eines wichtigen Anlaufpunktes – der Gaststätte „Zum kühlen Grund“ – gewann die Schützenhalle noch an Bedeutung. In Spitzenzeiten ist sie an über 200 Tagen im Jahr für die Menschen und Vereine im Dorf geöffnet. Schützenfeste, Mitgliederversammlungen und Karnevalsveranstaltungen, Frühjahrs-, Oktober- und Weihnachtsfeste, Nikolaus-, Geburtstags- und Familienfeiern, Senioren-, Bilder- und Dorfnachmittage haben hier ihren Platz. Sportschützen, Sänger, Tischtennisspieler und Jongleure fanden hier ihr Domizil. Und auch so manche Veranstaltung, in der sich die Wimberner über politische Themen (neue Baugebiete, Kommunalwahlen, Autobahn, Asylbewerberunterkunft) informiert und manchmal auch miteinander gerungen haben, hätte mit so großer Beteiligung anderenorts nicht stattfinden können.
Die Halle in der Wiesenstraße ist für das dörfliche Leben ein Schatz! Für unsere Bruderschaft fällt diese Bewertung nicht ganz so eindeutig aus: Natürlich findet auch ein erheblicher Teil unseres Vereinslebens in und an der Schützenhalle statt. Die Bruderschaft wäre ohne eigene Immobilie eine andere. Doch es kostet auch sehr viel Zeit, Kraft und Geld, diesen Dorfmittelpunkt in Stand und auf der Höhe der Zeit zu halten.
Ideell und materiell werden wir dabei vielfach unterstützt, denn heute wohnen bei weitem nicht alle Vereinsmitglieder in Wimbern. Zahlreiche St. Johannes-Schützen schlagen vielmehr Brücken in die Nachbarortschaften und sozusagen in die „Stammlande“ befreundeter Bruderschaften: St. Johannes Wickede-Wiehagen, St. Vinzentius Echthausen, St. Johannes Voßwinkel, St. Sebastian Brockhausen und St. Michael Oesbern. Der Blick in die Vereinsstatistik (siehe Seite 292) ist aufschlussreich.
Mit einiger Zuversicht darf erwartet werden, dass die eigentliche Idee unserer Bruderschaft, die Verbindungen mit Menschen, auch von den Schützen der nächsten Generation gelebt wird. Der Stabwechsel in ihre Hände ist bereits behutsam eingeleitet, und insbesondere aus den Reihen der Jungschützen wächst viel Perspektive nach.
Weit mehr als in den Gründerjahren, mehr auch als über weite Strecken unserer Vereinsgeschichte wird diese Schützengeneration Ausgleiche finden müssen. Denn für die Schützenbruderschaften gilt heute dasselbe, was die Volkskundlerin Christiane Cantauw in einem schmalen, hübschen Bildband über Schützenfeste in Westfalen schreibt:
Schützenfeste polarisieren: Die Reaktionen der Zeitgenossen schwanken zwischen jubelnder Begeisterung und strikter Ablehnung.
In diesem Spannungsbogen bilden die Werte, denen sich die Schützen ganz generell verschrieben haben – Glaube, Sitte und Heimat – ein sicheres Fundament.
Dennoch haben wir nach lebhafter Diskussion im Redaktionsteam dem vorliegenden Band drei andere Leitmotive vorangestellt: „Tradition leben – Verbundenheit schaffen – Verantwortung übernehmen“. Diese Trias, so meinen wir, beschreibt treffend, was die Schützen in Wimbern seit 125 Jahren leisten und sich auch künftig als Auftrag setzen.
Die Redaktion
- Hans-Thorald Michaelis: Schützengilden: Ursprung – Tradition – Entwicklung. Keyser, München 1985, ISBN 3-87405-163-3, S. 95 ↩︎
- „Mendener Zeitung“, 27. Mai1892 ↩︎
- Bericht des Mendener Pastors H. E. Zumbroich ohne Jahresangabe im Archivalienband 24 des Pfarrarchivs St. Vinzenz Menden, Seite 12 ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Schützenbruderschaft – abgerufen am 20. März 2016 ↩︎
- Mitgliederlisten 1891 und 1892, Seiten 22 bis 24 ↩︎