Als Wimberner und Oesberner Männer 1891 den Bruderschaftsverein Wimbern gründeten, stellte sich auch die Frage nach einem entsprechenden dörflichen Fest. Sicherlich kannten die Menschen von benachbarten Ortschaften das Feiern von Schützenfesten. Aber wie sollte ein neu gegründeter Verein in einem kleinen Dorf mit 233 Einwohnern (Kinder, Knechte, Mägde auf den großen Höfen mitgerechnet) auf sich und die geplanten Festivitäten aufmerksam machen und auch auswärtige Besucher für die Feste gewinnen?
Die Antwort lautet klar: „Öffentlichkeitsarbeit“1.
Als bemerkenswert hervorzuheben ist, dass es dieses Wort in der damaligen Zeit im deutschen Sprachraum noch gar nicht gab, denn laut Duden kam dieser Begriff erst 1917 auf.
Die Gründungsväter kannten also diesen Begriff gar nicht, machten aber 26 Jahre ihrer Zeit voraus eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit, nämlich durch „Insertionen“. Das Kassenbuch weist eindeutig die Ausgaben für „Insertionen“, also Inserate, an die damaligen Zeitungen aus. Das waren in Arnsberg das „Central-Volksblatt“, in Menden der „Westfälische Telegraph“ und in Hamm der „Westfälische Volksfreund“. So bemühte sich der Bruderschaftsverein, auf sich und seine Feste aufmerksam zu machen.
Die Inserate im „Central-Volksblatt“ von Arnsberg und im „Westfälischen Telegraph“ in Menden liegen als Druckbild vor. 1891 und 1892 feierten die Wimberner das schon an anderer Stelle beschriebene Gänseköpfen und inserierten in beiden Zeitungen mit relativ kleinen Anzeigen zwei beziehungsweise drei Tage vor dem Fest. Die Inserate sind leicht unterschiedlich einander gegenübergestellt.
Für das erste Schützenfest 1893 wurden ebenfalls in verschiedenen Zeitungen Inserate geschaltet, jetzt aber auffällig groß und mit bildlichen Darstellungen des Vogelschießens im „Central-Volksblatt“ und mit Schützen im „Westfälischen Telegraph“.
Zum ersten Mal – auch eine besondere Form der Öffentlichkeitsarbeit – erschien nach dem Fest am 22. August 1893 im redaktionellen Teil des „Westfälischen Telegraphs“ ein kurzer Bericht:
Wimbern. Das zum ersten Male hier gefeierte Schützenfest nahm einen recht gemütlichen Verlauf. Besonders die Teilnehmer aus Menden verlebten hier einige recht köstliche Stunden, wofür ja besonders die Thatsache spricht, daß nicht weniger als 20 dortige Bürger sich als ,Wimberner Schützenbrüder‘ einschreiben ließen.
In der Folgezeit wurden bis zum Jahre 1899 sowohl im „Central-Volksblatt“ als auch im „Westfälischen Telegraph“ zu praktisch jedem Fest entsprechende Inserate veröffentlicht, die besonders anschaulich und verschieden gestaltet waren.
Ab dem Jahre 1898 erschienen im „Central-Volksblatt“ Arnsberg keine Inserate mehr, dafür aber im „Westfälischen Volksfreund“ Hamm, wie aus den Ausgaben im Kassenbuch eindeutig hervorgeht. Bis 1914, dem letzten Fest vor dem Ersten Weltkrieg, wurden jedes Jahr zwei Anzeigen geschaltet, sowohl im „Westfälischen Volksfreund“ als auch im „Westfälischen Telegraph“. Ab dem ersten Schützenfest nach dem Ersten Weltkrieg (11. und 12. Juli 1920) wurden dann keine Inserate mehr aufgegeben. Dafür tauchen im Kassenbuch erstmalig Ausgaben für Plakate auf. Mit dem Plakatdruck wurden Zeitungsinserate als Form der Öffentlichkeitsarbeit abgelöst.
Parallel zu den Zeitungsanzeigen erkannten die damaligen Verantwortlichen der Bruderschaft auch die Bedeutung und Wirkung der Zeitungsberichte von Schützenfesten. Ein solcher positiver Bericht von einem gelungenen Fest verfestigte zum einen die Erinnerung an den Schützenverein und machte im Prinzip schon auf das nächste schöne Schützenfest im darauffolgenden Jahr aufmerksam, denn nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.
Es ist anzunehmen, dass der „Westfälische Telegraph“ in Menden nicht unbedingt einen Reporter zum Schützenfest schickte. In dieser Situation verfassten die Gründungsväter des Vereins und später ihre Nachfolger die Zeitungsberichte selbst und gaben sie bei der Zeitung ab.
Für dieses Vorgehen sprechen zwei starke Indizien. Zum einen das alte Protokollbuch der Schützenbruderschaft, das auch heute noch im Besitz der Schützenbruderschaft ist: In den jeweiligen Jahresprotokollen stehen hinsichtlich der Festberichte teilweise wörtlich dieselben Formulierungen wie in den Zeitungsberichten.
Zum anderen aber auch der Schreibstil: In den weiter unten im Wortlaut abgedruckten Zeitungsberichten von 1885 bis
1903 schreibt nicht ein objektiver, neutraler Reporter. Die Verwendung der Fürwörter „wir“ und „unser“ sowie die zahlreichen positiven Kennzeichnungen sprechen für einen von den begeisterten Schützen selbst verfassten Bericht:
Vor zwei Jahren entschlossen sich die Bewohner unseres Dorfes, das seit dem Jahre 1807 nicht mehr gefeierte Schützenfest auf´s neue aufblühen zu lassen. … Wir hoffen von einer diesbez. Eingabe (gemeint ist der Antrag auf ein zweitägiges Fest, Anmerkung der Redaktion), die selbst bis an die höchste Instanz gerichtet werden soll, den besten Erfolg.
1895
Unser diesjähriges Schützenfest nahm, vom schönsten Wetter begünstigt, den schönsten Verlauf. Der Besuch war ein starker.
1896
Unser am Sonntag und Montag stattgehabtes Schützenfest reihte sich seinen Vorgängern früherer Jahre würdig an.
1897
Unser allbeliebtes Schützenfest ist wieder ins Land gezogen, treu alter Sitte haben wir dasselbe auch herrlich gefeiert.
1903
Die Wimberner erkannten zur damaligen Zeit auch ganz klar ihre wichtigste auswärtige Zielgruppe für ihr Schützenfest: die Mendener. Diese wurden schon im ersten Bericht aus 1893 und auch in den späteren direkt angesprochen:
Besonders die Teilnehmer aus Menden verlebten hier einige recht köstliche Stunden,…
1893
Dem neugegründeten Verein traten auch sofort verschiedene Mendener als Mitglieder bei.
1895
Wie früher, so hatte auch diesmal wieder Menden einen beträchtlichen Teil zu den uns Besuchenden gestellt. Das Fest verlief in der animiertesten Weise.
1897
So also fand das Wimberner Schützenfest letztlich durch die gute Öffentlichkeitsarbeit seine Attraktivität als markantes Fest für die nähere Umgebung bis nach Menden.
Die Analyse der ersten Inserate und Festberichte in den Zeitungen macht deutlich, wie bemerkenswert planvoll, weiträumig gedacht, sprachlich geschickt und auf die Zielgruppe ausgerichtet die Öffentlichkeitsarbeit der Gründungsväter schon vor 125 Jahren aussah und angegangen wurde.
Nahezu ein Musterbeispiel auch für Öffentlichkeitsarbeit im heutigen Verständnis.
Nachfolgend noch einige Zeitungsberichte zu den Wimberner Schützenfesten im Wortlaut – so berichtete der „Westfälische Telegraph“ am 16. Juli 1895:
Wimbern. Vor zwei Jahren entschlossen sich die Bewohner unseres Dorfes, das seit dem Jahre 1807 nicht mehr gefeierte Schützenfest auf´s neue aufblühen zu lassen. Dem neugegründeten Verein traten auch sofort verschiedene Mendener als Mitglieder bei. Unter der vorzüglichen Leitung des Schützenpräses, Herrn Gutsbesitzer Bering, wird nun alljährlich ein so gemütliches Fest gefeiert, das sicher noch eine viel größere Schar Teilnehmer heranziehen würde, wenn es dem Verein gelänge, die Erlaubnis zu erwirken, auch den Sonntag als Festtag benutzen zu dürfen. Wir hoffen von einer diesbez. Eingabe, die selbst bis an die höchste Instanz gerichtet werden soll, den besten Erfolg. Dann wird auch der Bau einer ständigen Schützenhalle, deren Plan schon vollständig entworfen, sofort in Angriff genommen werden. Bei dem gestrigen Königsschießen errang Herr Wilh. Gurris die Königswürde. Vor aufgestelltem Bataillon wurde er mit den Insignien seiner hohen Würde, die in einer Kette mit Adler, von einer leistungsfähigen Fabrik in Neheim künstlerisch gestaltet, bestehen, dekoriert.
Herr Adolf Bilstein feierte in zündender Rede den um den Verein verdienten Präses, Herrn Bering, und das schmucke Offizierskorps. Das Fest kann mit Recht als wohlgelungen bezeichnet werden.
Über das Fest 1896 heißt es am 21. Juli 1896 im „Westfälischen Telegraph“:
Wimbern. Unser diesjähriges Schützenfest nahm, vom schönsten Wetter begünstigt, den schönsten Verlauf. Der Besuch war ein starker. Schützenkönig wurde Herr Ed. Richter aus Wimbern.
Am 3. Juni 1897 schrieb der „Westfälische Telegraph“ zum gerade stattgefundenen Fest:
Wimbern. Unser am Sonntag und Montag stattgehabtes Schützenfest reihte sich seinen Vorgängern früherer Jahre würdig an. Wie früher, so hatte auch diesmal wieder Menden einen beträchtlichen Teil zu den uns Besuchenden gestellt. Das Fest verlief in der animiertesten Weise. Schützenkönig wurde Herr Kaspar Hallmann.
Über das erste Fest nach dem Jahrtausendwechsel heißt es am 12. Juni 1900 im „Westfälischen Telegraph“:
Wimbern. Ein herrliches Schützenfestwetter war wieder den Schützenbrüdern beschieden; so kam es auch, daß Sonntag und Montag zahlreiche Freunde und Bekannte aus der Nachbarschaft und aus der Ferne herbeigeeilt waren, um das hübsche ländliche Fest mit zu feiern. Bald war die schöne Schützenhalle gut besetzt; trotz der Hitze wurde eifrig dem Tanze gehuldigt, keine Disharmonie störte die Feier, zu dessen Gelingen auch ganz besonders der rührige Vorstand viel beitrug. Schützenkönig wurde der Verwalter von Beringhof, Herr Rohr. Besonders erwähnt sei noch die gute Musik der Wickeder Freiw. Feuerwehr, die kaum ½ Jahr übend, sich schon vortrefflich bewährt.
Ein letztes Beispiel liefert der Bericht über das Schützenfest des Jahres 1903, der am 9. Juni 1903 im „Westfälischen Telegraph“ erschien:
Wimbern. Unser allbeliebtes Schützenfest ist wieder ins Land gezogen, treu alter Sitte haben wir dasselbe auch herrlich gefeiert. Schon früh war Leben im ganzen Orte, aus der Nachbarschaft kamen Gäste zu Wagen und zu Fuß. Die Königswürde errang in diesem Jahre Herr Marketender Beringhof.
- Öffentlichkeitsarbeit: Das Bemühen von Organisationen oder Institutionen, der Öffentlichkeit eine vorteilhafte Darstellung der erbrachten Leistung zu geben. (Definition laut Duden) ↩︎