Als in Wimbern 2312 Liter Bier an einem Tag flossen…

Das meiste, was der Mensch zu seiner Leibes Erhaltung in sich nimmt, ist in dem nord- und ostlichen Theile von Europa das Bier. Dieses ist unentbehrlich. Denn weil es die Natur daselbst an Weine fehlen lässet, das gemeine Wasser aber nicht allen Menschen, und diese um der Lebens-Art wegen, dienlich ist; die Milch entweder auch nicht überall zu haben stehet oder doch auch wegen der Art zu leben bedencklich fället, so kommt es auf ein solches weinartiges Getränk, das ist das Bier, an, welches dem menschlichen Leibe Befeuchtung und Nahrung bringen muß…1

Als der Leipziger Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler (* 7. Januar 1706 in Breslau, † 21. März 1751 in Leipzig) im Jahre 1733 den dritten Band seines insgesamt 64-bändigen „Universal-Lexicon“ veröffentlichte, in dem diese Definition zum Thema Bier zu lesen ist, könnte in Wimbern bereits Schützenfest gefeiert worden sein – wir wissen es nicht. Einzig ein Protokoll des ehemaligen Mendener Pastors H. E. Zumbroich gibt Zeugnis davon, dass bereits vor 1789 in Wimbern ein Schützenfest gefeiert wurde (siehe Seite 12). Wenn dem so war, wird dort sicherlich auch Bier getrunken worden sein, und vermutlich hatte es für die Menschen damals einen ähnlich hohen Stellenwert wie in Zedlers Lexikon beschrieben.

Im Jahre 1891 wurde in Wimbern der Bruderschaftsverein gegründet – sowohl in diesem als auch im darauffolgenden Jahr fand als Vereinsveranstaltung ein Gänseköpfen statt. Über den Verlauf der Feste ist nichts bekannt, auch nicht darüber, welche Getränke ausgeschenkt wurden – es ist aber zu vermuten, dass auch dort durch die durstigen Wimberner Kehlen vorwiegend Bier floss.

Die erste im Protokollbuch dokumentierte Bierentscheidung der Wimberner Schützen stammt aus dem Jahre 1893.

Ein Jahr später, 1893, wurde das erste Schützenfest der „Neuzeit“ gefeiert. Die Generalversammlung dieses Jahres am 15. Mai beschloss,

Bier soll von Brune in Werl genommen werden.

Auszug aus dem Kassenbuch von 1894. 784 Liter helles und 644 dunkles Bier kamen in jenem Jahr von der Brauerei Fritz Brune, weitere 786 Liter von der Adler-Brauerei in Unna. Zusätzlich kauften die Wimberner Schützen damals noch 98 Liter Bier bei Wilhelm Bürmann vom Stakelberg an. Insgesamt konsumierten die Besucher des eintägigen Schützenfestes somit 2312 Liter.

Die Brauerei Fritz Brune war 1854 von Braumeister Friedrich Brune gegründet worden und wurde Ende des Ersten Weltkrieges an eine Dortmunder Brauerei verkauft. Sie war bis 1909 regelmäßiger „Gerstensaft“-Lieferant des Wimberner Schützenfestes. So lieferte sie 1893 beispielsweise 1641 Liter für das Wimberner Schützenfest, im Jahr darauf stolze 2312 Liter – eine für heutige Verhältnisse beinahe unglaubliche Menge, wenn bedacht wird, dass in beiden Jahren lediglich ein eintägiges Schützenfest gefeiert wurde. Zum Vergleich: Im Jahre 2015 beispielsweise wurden bei einem dreitägigen Fest gerade einmal 2980 Liter Bier getrunken.

Der Bierkonsum 1894 setzte sich laut Kassenbuch wie folgt zusammen: 784 Liter helles Bier sowie 644 Liter dunkles Bier von der Brauerei Brune, hinzu kamen weitere 786 Liter helles Bier von der Adler-Brauerei Unna. Offensichtlich reichte die von den beiden Brauereien gelieferte Biermenge immer noch nicht aus, sodass weitere 98 Liter von der Gaststätte Bürmann nachgekauft werden mussten – diese wurde seinerzeit von Wilhelm Bürmann geführt, der Vater des späteren Königs Karl Bürmann (dieser holte 1924 den Vogel von der Stange) und Großvater von Franz Bürmann, der 1955 das Wimberner Schützenvolk regierte.

Die zuvor genannte Adler-Brauerei war 1892 vom Dortmunder August Klönne aus der Konkursmasse der „Vaerst- und Rademacherschen Adlerbrauerei“ übernommen worden.

Die 23,12 Hektoliter Bier aus dem Jahre 1894 deuten darauf hin, dass es sich bereits ganz zu Anfang der Schützenfeste in Wimbern um regelrechte Volksfeste gehandelt haben muss – ein Blick in die damaligen Mitgliederlisten zeigt, dass viele Schützenbrüder in den umliegenden Städten und Gemeinden gelebt haben, beispielsweise in Menden, Sümmern, Fröndenberg, Wickede, Voßwinkel, Oesbern und Ense.

Eine Reliefflasche der Brauerei Fritz Brune in Werl. Das Unternehmen lieferte von 1893 bis 1909 mit Unterbrechungen das Schützenfest-Bier. Foto: Helmut Euler

In den darauffolgenden Jahren lieferte die Brauerei Brune wiederum das Bier – und offensichtlich nur sie. Weiterhin fällt auf, dass in diesen Jahren deutlich weniger getrunken wurde (1895: 953 Liter, 1896: 1390 Liter, 1897: 1379 Liter, 1898: 1232 Liter).

Kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts, genauer gesagt im Jahre 1899, lieferte die Brauerei Brune für das Wimberner Schützenfest lediglich 112 Liter Bier – die restlichen 1208 Liter kamen erstmals von der Isenbeck-Brauerei in Hamm.

Der Name der Familie Isenbeck lässt sich bis ins Jahr 1385 zurückverfolgen. Der Ursprung der Marke geht auf das Jahr 1769 zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Hammer Brauereien nicht nur regional, sondern auch überregional bekannt. 1899 gehörte die Brauerei Wilhelm, Karl und Albert Isenbeck. 1897 fusionierte die Brauerei mit der „Brauerei Friedrich Pröpsting Nachfolger“ zur „Brauerei W. Isenbeck u. Comp. AG“. 1944 wurde die Brauerei durch Luftangriffe größtenteils zerstört. Der Wiederaufbau begann gleich bei Kriegsende. 1963 betrug der Jahresausstoß 227.000 Hektoliter, im Jahre 1968 waren es 366.000 Hektoliter. 1971 kaufte Isenbeck die „Kloster-Brauerei“.

Die Isenbeck-Brauerei produzierte bis 1989 ein feinherbes Pils „Made in Hamm“. Nach 220 Jahren wurde dort die Produktion eingestellt und nach Paderborn verlagert.

Doch zurück ins Jahr 1899: Nachdem beim Wimberner Schützenfest insgesamt 1320 Liter Bier ausgeschenkt wurden, wechselten in den folgenden Jahren bis 1906 jährlich die Lieferanten zwischen Brune und Isenbeck.

JahrUmsatz, Lieferant
19001481 Liter, Brune
19011780 Liter, Isenbeck
19021177 Liter, Brune
19031130 Liter, Isenbeck
19041238 Liter, Brune
19051105 Liter, Isenbeck
19051358 Liter, Brune

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: 1901 und 1902 übernahm Karl Korte vom Graben die Restauration, zwischen 1902 und 1906 zeichnete Hackethal aus Wickede hierfür verantwortlich.

Zwischen 1907 und 1909 kam das Schützenfest-Bier wieder von der Brauerei Brune (1907: 1068 Liter, 1908: 1331 Liter, 1909: 943 Liter), ehe 1910 insgesamt 1123 Liter Unnaer Bier von der Lindenbrauerei bezogen wurden.

Gründer der Lindenbrauerei war Wilhelm Rasche, der 1859 die Genehmigung zum Bau einer Brau-Anlage bekam. 1892 wurde die Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft „Lindenbrauerei Unna vormals Rasche & Beckmann“ umgewandelt. Im Jahre 1918 fusionierte sie mit der Hansa-Brauerei Dortmund. Nach schweren wirtschaftlichen Jahren wurde 1922 zwischen der Lindenbrauerei Unna GmbH und der Adler-Brauerei Unna August Klönne ein Gesellschaftervertrag geschlossen. 1925 wurde ein gemeinsames Laboratorium eingerichtet und 1926 ein Dampf-Fass zur Sterilisierung gebaut. 1966 wurde die frühere Klönnesche Adler-Brauerei aufgelöst – es verblieb die Linden-Brauerei GmbH, die 1971 von der Dortmunder Actien-Brauerei (DAB)übernommen wurde.

Auch in den folgenden Jahren war die Lindenbrauerei Wimberns Lieferant für das Schützenfest-Bier. Immerhin 1637 Liter wurden 1911 gekauft, hinzu kamen 50 Liter Freibier von der Brauerei. In den nächsten Jahren ging der Bierumsatz zurück: 1912 waren es 1216 Liter, 1913 nur 788 Liter und 1914 lediglich 856 Liter.

Bis 1914 wurde der Ausschank des Bieres an bis zu drei Theken vergeben. Bewirtschaftet haben die Theken bis 1914 laut Kassenbuch Caspar Schüpstuhl, Franz Schotenröhr, Franz Jochheim, Adolf Helmig, Peter Beringhoff, Friedrich Hagedorn, Josef Jochheim, Schelte (Oesbern), Eberhard Risse und Franz Knieper. Sie zahlten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg pro verzapften Liter zwischen 30 und 50 Pfennig an den Verein.

Über die ersten Schützenfeste nach dem Krieg ist wenig bekannt – weder im Protokollbuch noch im Kassenbuch sind Lieferanten genannt oder Mengen aufgeführt, die konsumiert wurden.

In den Jahren 1928 bis 1935 lieferte die Brauerei Isenbeck das Bier, und 1932 spendierte sie sogar ein Fass Freibier. Zwischen 1936 und 1939 bezog der Wimberner Verein Klosterbier aus Hamm.

Auch über das erste Schützenfest nach dem Zweiten Weltkrieg ist hinsichtlich des konsumierten Bieres nichts bekannt. 1949 wurde erstmals Thier-Bier ausgeschenkt, das von der 1854 gegründeten „Brauerei von Hövel, Thier & Co.“ produziert wurde. 1875 übernahm die Familie Thier die Gesamtanteile. 1992 wurde das Unternehmen von der Dortmunder Kronen Brauerei übernommen und dann 1996 an die DAB verkauft.

Von 1950 bis 1954 kam wieder Isenbeck-Bier aus Hamm in die Gläser, ehe von 1955 bis einschließlich 1958 die Kronen-Brauerei in Dortmund den Gerstensaft für das Wimberner Schützenfest lieferte. Diese Brauerei wurde bereits 1517 gegründet und führte 1843 die untergärige Braumethode ein, mit der Exportbier produziert wird. 1987 übernahm das Unternehmen die Dortmunder Stifts-Brauerei und 1992 die Dortmunder Thier-Brauerei, ehe alle Brauereien 1996 an die DAB verkauft wurden.

Von 1959 bis 1973 lieferte die Firma Janke aus Werl für die Wimberner Schützenfeste Thier-Bier aus Dortmund. 1974 kam die Veltins-Brauerei aus Grevenstein als Bierlieferant hinzu – allerdings zunächst nur bis 1978 für Flaschenbier, während vom Fass weiterhin Thier-Bier ausgeschenkt wurde.
Die Brauerei Veltins wurde im Jahre 1824 als kleine Landbrauerei gegründet. Schon damals stellte sie das Bier ausschließlich nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 her. Das Sauerländer Unternehmen kaufte 1951 eine handbetriebene, halbautomatische Flaschenabfüllanlage und eine Dampf- und Eismaschine. Die Brauerei gehört bis heute zu den größten Privatbrauereien Deutschlands.

Einen radikalen Kurswechsel gab es in den Jahren 1979 und 1980: Hier war die Warsteiner Brauerei Bierlieferant für die Schützenfeste. Das Unternehmen wurde 1753 durch die Familie Cramer gegründet, 1802 wurde das Stammhaus in Warstein gebaut. Einen Aufschwung erfuhr die Brauerei 1884 mit dem Anschluss an die Bahn. Dadurch konnte schnell und günstig Bier transportiert werden.

Imposantes Bild nach dem Schützenfest 2015. Leere Bierfässer warten auf ihren Abtransport.

Seit dem Jahre 1981 – und damit inzwischen 35 Jahre – ist die Veltins-Brauerei aus Grevenstein wieder Wimberner Bierlieferant. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Umsatz von Bier- und Bier-Mischgetränken deutlich über 30 Hektolitern eingependelt.

JahrUmsatz
20113220 Liter
20123410 Liter
20133180 Liter
20143110 Liter
20153070 Liter
  1. http://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&id=35119&bandnummer=03&seitenzahl=0906&supplement=0&dateiformat=1‘) – abgerufen am 20. März 2016 ↩︎