Wer die Geschichte unseres Vereins in seinen Ursprüngen und seinem Werden nachvollziehen will, muss sich auch ein wenig mit der Geschichte der Schützenvereine grundsätzlich beschäftigen. Es stellt sich die Frage, wie die Menschen zu der Zeit, als unser Verein entstand, überhaupt über Schützenfeste dachten. Auf welche Tradition greift die Gründung beziehungsweise Neugründung von Schützenvereinen vor 125 Jahren, also Ende des 19. Jahrhunderts, zurück?
Glücklicherweise liegt zu diesen Fragen ein schriftliches Zeugnis der damaligen Zeit vor. Am 27. Mai 1892, also ein Jahr nach Gründung des Wimberner Vereins, erschien im „Westfälischen Telegraph“, der späteren „Mendener Zeitung“, folgender Artikel:

Ueber Schützenfeste
Kurz nach Pfingsten beginnen in vielen Städten die Schützenfeste, welche noch ein Stück der guten alten Zeit in unserem schnelllebigen Jahrhundert bilden, nach deren idyllischer Ruhe sich der friedliebende Bürger von heute noch so oft zurücksehnt. Doch die Schützenfeste haben gar keine so friedliche Abstammung, und es ging oft gar nicht so ruhig zu innerhalb der Schützengilden. Dieselben hingen eng mit der Machtentwicklung der Städte zusammen, deren Besatzung und Wehr die Bürger bildeten. Da gab’s gar manch harten Strauß zu bestehen mit den übermütigen Rittern und Junkern, denen manchmal nach den Kassen der reichen Patrizier und Handelsherren in den Städten gelüstete, und der ahnungslose Bürger musste oft auf den Ruf der Sturmglocke zur Armbrust und zur Partisane greifen, um die Troßknechte der Edelleute von den Stadtmauern fernzuhalten. Freilich heute ist das ganz anders. Da schießen die Schützen anstatt wie früher nach dem Feinde einmal im Jahr nach einem hölzernen Vogel oder nach einer Scheibe, während sie früher in steter Kampfbereitschaft sein mussten. Während die patrizischen Geschlechter Waffen und Rüstung der Ritter annahmen, wählten die übrigen, nach Zünften und Stadtvierteln geordneten Bürger andere Waffen, vornehmlich Bogen und Armbrust, und zur Uebung in wirksamer Führung derselben bildeten sich Schützenvereine, in der damals üblichen Form von Gilden. Dieselben hatten Schützenhäuser und Schießbahnen, eine durch Beiträge und Vermächtnisse gegründete und unterhaltene Vereinskasse und hielten jedes Jahr Schützenfeste ab, welche für die Bürger bald dieselbe Bedeutung wie die Turniere für die Ritter gewannen. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Glanzzeit dieser Festlichkeiten und noch bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden sie mit großem Pompe gefeiert. Selbst Fürsten und Adelige hielten es nicht unter ihrer Würde sich an den Festen zu beteiligen. Auf denselben wurden Bündnisse geschlossen und befestigt, so daß dieselben eine politische Bedeutung erhielten. Mit der Erfindung des Pulvers kam das Feuergewehr auf und die Handhabung der Waffen erfuhr eine Aenderung. Doch die Schützenvereine behielten trotzdem ihre alten Rechte bei und haben sicher erhalten bis auf den heutigen Tag, wo sie nur noch als Ueberbleibsel aus dem romantischen Mittelalter bestehen. Heute ziehen in kleinen Städten die Schützen in ihren altmodischen Uniformen mit dem Federstutze und unter den Klängen militärischer Musik hinaus auf den grünen Plan vor die Stadt, um sich dort gleich den Altvorderen im Schießen zu üben. Der beste Schütze ist natürlich König und wird auf alle mögliche und unmögliche Weise gefeiert. Seine besondere Huld bringt er seinen Unterthanen gegenüber gewöhnlich durch die Stiftung eines Fäßchens Bier zum Ausdruck, da wird dann weidlich gezecht und die Haltung der mutigen Schützen beim Rückmarsch soll manchmal nichts weniger als militärisch sein.
„Westfälischer Telegraph“ vom 27. Mai 1892