Mit einem festlichen Kommers begann das zweite Jahrhundert unserer Vereinsgeschichte. Mit großem Stolz präsentierten wir unter den Klängen der Hifthornbläser aus Ense unsere „neue Halle“. In unnachahmlich kurzweiliger Weise stimmte Franz Korte sen., allseits bekannt als „der alte Tente“, als Festredner auf die Jubiläumsfeierlichkeiten ein:

Wenn ein Verein auf ein 100jähriges Bestehen zurückblicken kann, ist sicher der Zeitpunkt gekommen, mal darüber nachzudenken, warum man damals diesen Verein gegründet hat. Was waren die Motive und warum gerade einen Schützenverein? Wimbern Ende des vorigen Jahrhunderts: ein kleines Dorf, zirka 240 Einwohner, 30 Häuser und Höfe, keine Industrie, rein landwirtschaftlich geprägt. Die Menschen mussten hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Von einer 35-Stunden-Woche hat man damals nicht einmal geträumt. Es gab keinerlei Vereinsleben, nicht einmal ein Gasthaus im Ortskern. Zwar bestanden gewisse Basisgemeinschaften in Form von Nachbarschaften. Im alten Ortskern Oberdorf, Mitteldorf und Unterdorf, wie sie auch heute noch bestehen. Man lud sich ein bei Feierlichkeiten und stand sich hilfreich zur Seite in schweren Stunden. Doch darüber hinaus suchte man eine Verbindung, die wenigstens einmal im Jahr das ganze Dorf zusammenführt und wie es in den Statuten des Gründerjahres heißt: „Eintracht, Frohsinn und Geselligkeit zu pflegen“ und die Kontakte zu den Nachbargemeinden zu fördern.
Warum gerade ein Schützenverein? Die Schützenvereine waren damals auf den Dörfern die dominierenden Vereine, und Schützenfeste waren der absolute gesellschaftliche Höhepunkt. Gewiss war auch ein gesundes Maß an Heimatliebe und Patriotismus vorhanden. So steht auch im Gründungsprotokoll: „Die Liebe zu Kaiser und Vaterland zu fördern.“ Offensichtlich war es recht schwierig, die behördliche Genehmigung zu bekommen, einen Schützenverein zu gründen. So nannte man sich zunächst Bruderschaftsverein, erst zwei Jahre später Schützenverein. Es dauerte dann noch drei Jahre, bis der Regierungspräsident nach hartnäckigen Bemühungen ein zweitägiges Fest genehmigte. Obschon ein rein weltlicher Verein, war doch von Anfang an die enge Verbundenheit zur Kirche gegeben. So war das Schützenhochamt von Anfang an im Programm des Festes.
Die Erteilung der Genehmigung, ein zweitägiges Fest zu feiern, wurde dadurch erleichtert, dass aus alten Dokumenten hervorging, dass viele Jahrzehnte vor dieser Zeit in Wimbern schon ein Schützenverein bestanden hatte. Im Laufe der Jahre wuchs der Verein ständig. Um die Jahrhundertwende nahmen an den Versammlungen weit über 100 Mitglieder teil. Schon sehr früh gingen die Bestrebungen dahin, eine eigene Festhalle zu besitzen, und so war man schon 1898 stolzer Besitzer einer eigenen Halle. In dieser Halle wurde bis 1966 Schützenfest gefeiert, nur unterbrochen von den zwei schweren Weltkriegen, die auch in die Reihen der Schützenbrüder schmerzhafte Lücken rissen.
Wenn wir nun die Frage stellen, hat es sich gelohnt, hat die Schützenbruderschaft etwas bewegt, dann müssen wir den Bau der neuen Halle etwas näher beleuchten. So wurde Anfang der 60er Jahre der Ruf nach einer neuen Halle immer lauter. Die alte Halle war in keiner Weise mehr zeitgemäß. Auch die doppelte Nutzung als Festhalle und Gewerbebetrieb war nicht mehr möglich. Und so werde ich die denkwürdige Vorstandssitzung damals bei Weische in der Nachtigall nicht vergessen, als der Vorstand fest entschlossen den Beschluss fasste, eine neue Halle zu bauen. Der Vorschlag des Vorstandes wurde in der folgenden Generalversammlung begeistert aufgenommen. Von allen Seiten kam Unterstützung bis hin zur politischen Gemeinde. Die damals noch eigenständige Gemeinde war es dann auch, die der Bruderschaft dieses Grundstück zur Verfügung stellte.
Im September 1966 erster Spatenstich, im November Richtfest und am 30. April feierliche Einweihung durch den damaligen Dechant Schulte aus Menden, verbunden mit einem glanzvollen Eröffnungsball. Ich werde hier nicht auf Einzelheiten eingehen, nur soviel sei gesagt: Was in diesen Monaten an Eigenleistung, Spendenbereitschaft und Hilfeleistung jeglicher Art geleistet wurde, ist ohne Beispiel. Und es ist überaus erfreulich, dass sich bis auf den heutigen Tag Männer in Bruderschaft, Vorstand und Führung des Vereins gefunden haben, die sich mit großem Einsatz für den Erhalt der Halle einsetzen. So wurden der Anbau, Reparaturen, Modernisierungen und Pflegearbeiten von Schützenbrüdern durchgeführt. Und wenn mal eine größere Baumaßnahme notwendig war, dann hat uns unsere Gemeinde Wickede nicht allein gelassen, wie jetzt beim Innenausbau. Darum auch allen Helfern und Schützenbrüdern, die sich hier eingesetzt haben, herzlichen Dank. Desgleichen bedanken wir uns bei Rat und Verwaltung für ihre Hilfe. Nun steht die Halle 25 Jahre. Und mit der Halle hat sich in Wimbern einiges verändert. Allein die Tatsache, dass die Halle an über 200 Tagen im Jahr benutzt wird, zeigt, wie unentbehrlich ein solches Haus für unser Dorf geworden ist. Hier wird nicht nur Schützenfest gefeiert, hier feiert unsere Feuerwehr ihr Herbstfest, die FSG ihre vorweihnachtliche Feier besonders für die Kinder. Hier findet die große Karnevalsfeier statt, bei der alle Wimberner Vereine gemeinsam das Programm gestalten.
Hinzu kommen die zahlreichen privaten Feiern bis hin zu Polterabenden und Polterhochzeiten. Hinzu kommt das große Frühlingskonzert des Orchestervereins Hemer. Die Sportschützen vom SSC Wildschütz trainieren hier und führen hier ihre Wettkämpfe durch. Hier haben auch die Tischtennisspieler ihr Domizil. Zusammenfassend kann gesagt werden: Hier hat sich ein Zentrum, ein Treffpunkt für das ganze Dorf entwickelt. Ohne dieses Haus wäre Wimbern auseinandergelaufen, besonders die Jugend hätte sich in anderen Gemeinden und Vereinen ein Betätigungsfeld gesucht. So aber übt die Halle eine gewisse Klammerfunktion aus, eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren. Das heißt aber nicht, dass wir uns abkapseln, im Gegenteil. Wenn wir das Wort „Bruderschaft“ ernst nehmen, dann müssen wir zusammenführen, nicht trennen, verbinden, nicht auseinanderdriften. Toleranz üben gegenüber Menschen, die anderen Kulturkreisen oder Religionen angehören. Wir wollen offen sein für alle, die in Eintracht mit uns leben wollen. Dies alles sollte auch die Richtung sein, die wir in Zukunft gehen wollen. Wenn wir nun zum Schluss die Frage stellen: „Hat es sich gelohnt?“, dann wollen wir nicht nur die großen Ereignisse und Bewegungen sehen. Vergessen wir nicht die vielen kleinen privaten Dinge, die sich hier in den vielen Jahrhunderten abgespielt haben. Manche Freundschaft ist hier geschlossen worden, mancher Streit begraben worden, und manch zarte Bande ist hier geknüpft worden. Dies allein schon wäre Grund genug,
abschließend zu sagen:Es hat sich gelohnt.
Zahlreiche Gratulanten schlossen sich an, und auch finanziell muss der Abend ein Erfolg gewesen sein, weiß Chronist Wolfgang Goeke zu berichten:
Hier sei noch erwähnt, dass unser Brudermeister bei jedem knisternden Händedruck strahlte, wie schon lange nicht mehr… Im übrigen konnte er seine durch seinen Bauch bereits arg strapazierte Jacke dank der vielen überreichten Briefumschläge an diesem Abend überhaupt nicht mehr geschlossen tragen…

Am Kaiserschießen samstags nachmittags nahmen nicht weniger als 34 der 40 noch lebenden Wimberner Schützenkönige teil. Caspar Schumacher, Heinz Severin und Hubert Grundmeier hatten sich dabei als Doppelkönige das Sonderrecht erworben, gleich zweimal zum Kaiserschuss aufgerufen zu werden. Insignien und Flügel jedoch gingen an Caspar Bilge (Zepter), Willi Schulte (Krone), Bruno Plohmann (linker Flügel) und Franz Schriek (rechter Flügel) – der Reichsapfel ist im Protokoll erstaunlicherweise nicht erwähnt, vielleicht meldet sich der hier verschwiegene Schützenkönig, sodass wir das zum 150jährigen Jubiläum nachtragen können.

Der Festzug am Jubiläums-Sonntag umfasste die befreundeten Bruderschaften aus Brockhausen, Echthausen, Oesbern, Voßwinkel und Wickede mit ihren Königspaaren und Hofstaate, die Spielmannszüge aus Bentrop, Schwitten und Voßwinkel sowie die Musikkapellen aus Hemer und Oesbern. Der nicht eben kleine Hof des Königspaares Josef und Gisela Goeke war also buchstäblich bis auf den letzten Platz gefüllt. Der ohnehin alljährlich stattliche Festzug zum Schützenfest-Sonntag wollte zum 100jährigen Jubiläum schier kein Ende nehmen. Bei echtem Kaiserwetter führte der Weg von Goeken Hof zur Nachtigall, zurück mit einem Abstecher durch den Heuweg zur Parade an der Lendringser Straße und schließlich in unsere brechend volle Schützenhalle an der Wiesenstraße.

Apropos Kaiser: Der wurde mit seiner Kaiserin ein wenig voreilig schon nächtens auf grünem Tischpapier in der Schützenhalle „beigesetzt“ – die Beerdigungszeremonien sollen ansonsten aber ordnungsgemäß wie auf der Königsgruft auf Nadermanns Hof erfolgt sein.
Dort wiederholte sich der feierliche Akt am Montag, nachdem Wilfried „Fisch“ Lemkemeyer sein Versprechen wahr gemacht und nach zehn Jahren erneut dem stolzen Federvieh den Garaus gemacht hatte. Peter und Roswitha Bettermann haben damit alle Chancen, nach dem Kaiserschießen im Jahre 2016 das „Beerdigungs-Tripel“ zu schaffen.
Jubiläum gefeiert wurde dann noch bis drei Uhr nachts – zumindest, was den Teil der Festivitäten anbelangt, die in der Halle stattfanden. Schriftführer Wolfgang Goeke vermerkte in seinem Bericht darüber hinaus:
Wer nun glaubte, das Fest sei beendet, der irrte sich gewaltig. Denn mit ca. 55 Personen setzte sich ein kleiner Festzug mit Pauke, Klarinette, Becken, Posaune, Trompete und Trommel in Richtung Königinnenhaus in Bewegung. Nachdem man hier königlich mit Wurst, Kuchen, Bier und anderen Getränken verköstigt wurde, setzte sich dieser Festzug Richtung altem Königshaus in Bewegung und man trug sogar einen Königsschinken bei sich, der hin und wieder auch einmal direkten Kontakt mit der B7 hatte… Ich weiß nur noch, dass man danach gegen 5 Uhr morgens in einer Holzhütte gelandet war und dort vollkommen unerwartet ein Fisch auf dem Tisch stand. Alles weitere ist mir nur durch Erzählungen bekannt, so z.B. dass dieses Rudel abschließend dem ,Blues-Zimmer‘ von Karl-Heinz Thomalla noch einen Besuch abstattete…
Das lässt für die Jubiläumsfeier 2016 ja einiges erwarten…
Bereits in der ansonsten recht entspannten Schützenfestsaison 1991 bereiteten die Schützen eine weitere Satzungsänderung vor, in deren Zusammenhang auch die Mitgliedschaft bei den Historischen Deutschen Schützenbruderschaften gekündigt wurde. Als ein Grund wurden in der Generalversammlung ausdrücklich Differenzen zu den sehr engen und konservativen Statuten des Schützenbundes genannt. Daran mag sich mancher erinnert haben, als sich „die Historischen“ 2014 gegen einen muslimischen Schützenkönig in der Sönneraner Nachbar-Bruderschaft stellten.
1992 ging es ein wenig ruhiger zu als im Jubiläumsjahr: Immerhin wurde die große Theke – sozusagen die Herzkammer der Schützenhalle – renoviert und die kleine Theke in der Nordwestecke abgebaut. Erstmals baute Gerd Schulte (Oesberner Weg) den Schützenvogel. Er löste also seinen Schwiegervater Alfred Luig ab, der den Adler fünfzig Jahre lang für ein „Vergelt´s Gott“ gezimmert hatte (siehe Seite 94). Die Großzügigkeit von Gerd Schulte strapazieren wir um so mehr, als inzwischen beim Jungschützenfest und beim Winterschützenfest alljährlich weitere Vögel beziehungsweise Schneemänner verschlissen werden. Trotzdem wollen wir im Jahre 2016 auch ein kleines „Vogelbauerjubiläum“ mit dem 25. Schützenadler von Gerd Schulte begehen.

1992 endete nicht nur Alfred Luigs Tradition als Vogelschreiner, sondern auch die von Franz „Gastrat“ Fildhaut als Vereinswirt. Jahrzehntelang fanden die Generalversammlungen im „Kühlen Grund“ statt, und in ungezählten Vorstandssitzungen rauchten dort Köpfe und Zigarren. Irgendwie passend, dass Gastrat und Christine ihre Karriere als Wirte am 21. November 1992, also am Tag der Generalversammlung der Wimberner Schützen, ausklingen ließen. Zwar gehörte Gastrat nie dem Schützenvorstand an, im Grunde war er aber immer ganz dicht dabei. Auch nach dem Verkauf seiner Gastwirtschaft wurden er und seine Christel regelmäßig bei Veranstaltungen der Schützenbruderschaft hinterm Tresen gesehen.

Chronistenpflicht ist es, an ein sehr schönes kleines Schützenfest zu erinnern, das die Wimberner Schützen nur 1992 mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Ruhrtalklinik feierten. Über regelmäßige Ständchen beim Kirchgang am Schützenfest-Samstag und die Besuche im Zuge der Fronleichnamsprozessionen hinaus, sind gemeinsame Feste mit den Menschen in der Rehaklinik nicht zur Tradition geworden. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.

Im Februar 1993 verunglückte der damals amtierende Präses unserer Bruderschaft, Pastor Herbert Rapp, bei einem Verkehrsunfall tödlich. Mit zahlreichen anderen Gemeindemitgliedern reagierten die Schützen tief betroffen. Im Amt folgte noch im selben Jahr Vikar Dr. Gerhard Best, der das kleine Kirchspiel Barge in der Zeit seiner Glockenkunde-Promotion leitete und dem wir uns als Pastor, Domkapitular und Schützenbruder bis heute eng verbunden fühlen.

In seiner ersten Schützenmesse als Wimberner Präses erneuerte er die Weihe der alten Schützenfahne aus dem Jahre 1893. Getragen wurde die Fahne bei diesem Fest von den „alten Kämpen“ Josef Coerdt, Hubert Grundmeier und Clemens Jahn. Nach einer gründlichen Restauration zum Jubiläum war die Fahne wieder in einem repräsentabelen Zustand, sodass sie ab 1994 mit einigen alten Königsorden in einem Schaukasten im Foyer des Wimberner Krankenhauses ausgestellt werden konnte. Heute hängt sie – ebenfalls vor Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit gut geschützt – im Raphaelsheim.

Bereits 1993 war es, als die seit dessen Gründung 1960 bestehende gute Beziehung zu den Wimberner Sportschützen vom SSC Wildschütz mit dem Anbau des Schießheims an der Ostseite der Schützenhalle nochmals erheblich vertieft wurde. Hatte sich der Vorstand mit der Entscheidung, den Sportschützen ein Baurecht auf dem Grundstück der Bruderschaft einzuräumen, zunächst schwer getan, zeigt sich heute, wie weitblickend dieses Zugeständnis gewesen ist: keine größere Baumaßnahme an der Halle, keine Karnevalsfeier, kein Winterschützenfest seitdem ohne Unterstützung der „Wildschützen“. Die Schützenhalle soll das Dorf zusammenhalten, und die Sportschützen wirken kräftig daran mit. Auch ohne den wöchentlichen Nutzen des Schießstandes (SSCW) oder der Tischtennisplatten (TTC) davon zu haben, gilt dies für Freiwillige Feuerwehr und Freizeitsportgemeinschaft in gleichem Maße. Herzlichen Dank dafür und auf ein weiterhin gutes Miteinander allerseits.
