Besonders bemerkenswert ist, dass bereits in der Versammlung am 1. Mai 1893 der Beschluss gefasst wurde, beim Regierungspräsidenten in Arnsberg eine Festgenehmigung für zwei Tage zu beantragen.
Dieses Thema war für den Verein von übergeordneter Bedeutung. Der Vorstand hatte schon damals erkannt, dass nur ein zweitägiges Fest dem enormen organisatorischen Aufwand entsprechen und den finanziellen Rahmen absichern würde.
Überzeugt von dieser Einstellung entwickelte der Vorstand in diesem und in den folgenden Jahren eine außerordentliche Fantasie bei der jeweiligen Beantragung eines zweitägigen Festes. Im Jahre 1893 führte der Verein mit Schreiben vom 14. Mai, das im Original im Stadtarchiv Menden liegt, folgendes Argument an:
Wenn nun schon die Ertheilung der Erlaubniß zur Feier an zwei Tagen zu versagen ist, so mögte Euer Hochwohlgeboren ich doch gehorsam bitten, dem Wunsch des Vereins geneigt zu entsprechen, und die Erlaubniß für 2 Tage ertheilen zu wollen. Die Gemeinde Wimbern hat große Bauernhöfe, welche 3-6 Knechte halten. Zur Zeit der Schützenfeste gehen diese meistens an den betreffenden Tagen, an denen in ihrer Heimat Schützenfest gefeiert wird, zu denselben, und somit ist der betreffende Hofbesitzer verschiedentlich geschädigt, da derselbe den Knechten den Urlaub nicht abschlagen kann. Ist aber in der Gemeinde Wimbern Schützenfest, so können alle an diesem theilnehmen und erhalten keinen weiteren Urlaub.
Auch eine sehr interessante Begründung.
Als dem Verein wohl zu verstehen gegeben wurde, dass ein zweitägiges Schützenfest nicht genehmigt werden würde, trafen sich die Vereinsmitglieder zu einer weiteren Generalversammlung (30. Juli 1893). Der ursprünglich vorgesehene Schützenfesttermin wurde erneut verschoben.
Als neuer Termin wurde der 14. August 1893 festgelegt. Hinsichtlich der Argumentation für ein zweitägiges Fest fiel den Schützenbrüdern eine neue Lösung ein. In einem Brief vom 4. August 1893 schrieb der Vereinspräsident Christoph Schlünder kurz und bündig:
Euer Wohlgeboren bittet der Vorstand des Schützenvereins Wimbern für den 13. August d. J. zu einem Freikonzert, für den 14. August zur Feier des Schützenfestes und für beide Tage zum Bierausschank die erforderliche polizeiliche Genehmigung geneigtest ertheilen zu wollen.
Dieser neu formulierte Antrag wurde mit einigen Auflagen umgehend genehmigt. Die Polizeistunde wurde für das Freikonzert auf 10 Uhr abends und für das Schützenfest auf 12 Uhr abends festgelegt. Bei Missbrauch der gesamten Erlaubnis wurde eine „herbe Bestrafung“ und eine Verweigerung der Genehmigung für die Zukunft angedroht.
Auch bezüglich der Öffentlichkeitsarbeit war der erste Vorstand des Vereins bemerkenswert aktiv (siehe Seite 213). Zwei Tage vor dem Fest erschienen sowohl im „Westfälischen Telegraph“ Menden als auch im „Central-Volksblatt“ Arnsberg Inserate, mit denen auf das Schützenfest aufmerksam gemacht wurde.


Aus diesen Darlegungen geht recht deutlich hervor, mit welchen behördlichen, organisatorischen und technischen Schwierigkeiten der Verein bei der Ausrichtung des ersten Schützenfestes zu kämpfen hatte. Entscheidend aber ist, dass es die damaligen Schützenbrüder trotz aller Widerstände und Probleme mit Fantasie und Einsatz geschafft haben, das erste Fest zu organisieren. Dass es ein voller Erfolg wurde und auch Gäste aus den umliegenden Ortschaften anzog, geht aus einem Bericht der „Mendener Zeitung“ vom 22. August 1893 hervor:
Das zum erstmal hier gefeierte Schützenfest nahm einen recht gemütlichen Verlauf. Besonders die Teilnehmer aus Menden verlebten hier einige recht köstliche Stunden, wofür ja besonders die Thatsache spricht, daß nicht weniger als 20 dortige Bürger sich als Wimberner Schützenbrüder einschreiben ließen.
Der Erfolg des Schützenfestes lässt sich auch anhand konkreter Zahlen aus dem Kassenbuch nachweisen: Die Einnahmen (einschließlich der Übernahme vom Bruderschaftsverein und der Mitgliedsbeiträge) betrugen 1242,31 Mark, die Ausgaben beliefen sich auf 928,45 Mark. Es blieb also ein Reingewinn von 313,86 Mark. Rund 16 Hektoliter Bier wurden verzapft. Die Königswürde errang Peter Beringhoff.
Der Mitgliederbestand war auf die beachtliche Zahl von 138 angestiegen, dazu kamen vier Ehrenmitglieder.

Welch merkwürdige Rolle der Zufall in der Geschichte unseres Vereins spielt, wird durch folgende Begebenheit deutlich: Als es im Januar 1989 zu einem Brand in der ehemaligen Wimberner Schule (heute Arnsberger Str. 16) kam, fanden die Handwerker der Firma Dünschede bei den Aufräum- und Reparaturarbeiten zwischen den oberen und unteren Dielen der Holzdecke ein besonderes Brett, das von beiden Seiten mit Bleistift beschrieben ist. Auf der ersten Seite ist zu lesen:
Gebaut am 21. September 1893
Wir Heinrich Beringhoff und Theodor Fildhaut unter der Meisterschaft H. Lenze, Bauunternehmer aus Menden. In diesem Jahre war in Wimbern das erste Schützenfest. Heute war der Gastebilder hier und dotahl besoffen
Auf der Rückseite des Holzbrettes steht:
Theodor Fildhaut aus Schwitterknapp No. 63, Heinrich Beringhoff aus Wimbern
Dieses Schriftdokument bedarf einer gewissen Interpretation: Theodor Fildhaut und Heinrich Beringhoff waren Zimmerleute, keine Maurer. Nach Abschluss der Zimmerarbeiten wollten die beiden vermutlich der Nachwelt ein Zeugnis hinterlassen.
Der Bau einer Schule – ein lang ersehntes und großes Ziel der Wimberner – ging dem Ende zu. Im selben Jahr 1893, einen Monat vorher, feierte Wimbern das erste Schützenfest. Für ein kleines Dorf immerhin zwei Großereignisse innerhalb eines Jahres, die damals von den beiden Zimmerleuten auf dem Holzbrett festgehalten wurden.
Mit dem „Gastebilder“ (Gäste-Bitter) ist mit einiger Wahrscheinlichkeit die Person gemeint, die zur Feier – vermutlich dem Richtfest – eingeladen hat. Es ist allerdings auch denkbar, dass es sich um den Namen einer bestimmten Person gehandelt haben könnte.
Das so beschriebene Brett wurde zwischen der Holzdecke versteckt und 96 Jahre später durch Zufall wiedergefunden.
Im Folgejahr 1894 beschloss zwar die Generalversammlung, das Fest am 3. und 4. Juni des Jahres zu feiern, doch die Genehmigung der Behörden wurde ausdrücklich nur für den 4. Juni erteilt und auch nur
…mit der Voraussetzung, daß jegliche Vor- und Nachfeier ausgeschlossen ist.
Erstmalig wurde im Protokollbuch auch der Ort der Feierlichkeiten vermerkt:
Das Schützenfest wird auf dem Platz bei der Scheune der Frau Goeke gefeiert.
(heute Schumacher, Arnsberger Straße 57). Es spricht einiges dafür, dass auch das erste Schützenfest 1893 hier stattfand.

Im Jahre 1895 ließ sich der Verein eine neue Argumentation bezüglich eines zweitägigen Festes einfallen und schickte den Gemeindevorsteher Anton Goeke zur Durchsetzung dieses Ziels nach Menden. Goeke erläuterte dem Ehrenamtmann, dass am 14. Juli das Fest des Bruderschaftsvereins (den es in der Form schon längst nicht mehr gab) und am 15. Juli das Schützenfest stattfinden sollte.
Es war klar, dass die beantragten Feierlichkeiten alle unter einer Regie – nämlich unter der des Schützenvereins – laufen sollten. Aber auch der Ehrenamtmann muss den raffinierten Antrag wohl schnell durchschaut haben und gab dies in seiner Antwort deutlich zu verstehen:
Ich versage daher die Erlaubniß zur erdachten Feier.
Dieses ‚erdacht‘ ist hier im Sinne von ‚ausgedacht‘ oder ‚erfunden‘ zu verstehen. Für den 15. Juli wurde das Schützenfest genehmigt
… mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß jede Vor- und Nachfeier ausgeschlossen bleibt. Sollte dies wider Erwarten doch erfolgen, so wird neben der Bestrafung auch in künftigen Jahren die Erlaubnis versagt werden.
Aus der Strenge dieser Formulierung wird die Verärgerung über den Versuch deutlich, das Fest mit dem oben beschriebenen Trick auf zwei Tage auszudehnen.
Aber selbst am Tag nach dem Schützenfest hatte der Vorstand sein Ziel, ein zweitägiges Fest zu feiern, nicht aus den Augen verloren. Im Gegenteil – in der Berichterstattung über das eintägige Schützenfest wird dieses Ziel unter Berufung auf die schon erwähnte Tradition von 1807 nochmals herausgestellt. Sicherlich wollten die Schützen damit schon den Boden für die Genehmigung des nächsten Festes entsprechend bereiten. Interessant ist auch, wie vor dem eigentlichen Festbericht das Grundanliegen des Vereins vorrangig zur Sprache kommt. In dem Artikel der „Mendener Zeitung“ vom 16. Juli 1895 heißt es:
Vor zwei Jahren entschlossen sich die Bewohner unseres Ortes, das seit dem Jahre 1807 nicht mehr gefeierte Schützenfest aufs neue aufblühen zulassen. Dem neugegründeten Verein traten auch sofort verschiedene Mendener als Mitglieder bei. Unter der vorzüglichen Leitung des Schützenpräses, Herrn Gutsbesitzer Bering, wird nun alljährlich ein so gemütliches Fest gefeiert, das sicher noch eine viel größere Schar Teilnehmer heranziehen würde, wenn es dem Verein gelänge, die Erlaubnis zu erwirken, auch den Sonntag als Festtag benutzen zu dürfen. Wir hoffen von einer diesbez. Eingabe, die selbst bis an die höchste Instanz gerichtet werden soll, den besten Erfolg. Dann wird auch der Bau einer ständigen Schützenhalle, deren Plan schon vollständig entworfen, sofort in Angriff genommen werden. Bei dem gestrigen Königsschießen errang Herr Wilh. Gurris die Königswürde. Vor aufgestelltem Batallion wurde er mit den Insignien seiner hohen Würde, die in einer Kette mit Adler, von einer leistungsfähigen Fabrik in Neheim künstlerisch hergestellt, bestehen, dekoriert. Herr Adolf Bilstein feierte in zündender Rede den um den Verein verdienten Präses, Herrn Bering, und das schmucke Offizierskorps. Das Fest kann mit Recht als wohlgelungen bezeichnet werden.

Im Jahre 1896 beschloss die Generalversammlung,
Da … mit einem Tag die Unkosten sich nicht decken
einen erneuten Vorstoß für ein zweitägiges Fest zu wagen. Dafür wurde eigens eine „Kommission“ gewählt (Oberst Bering, Hauptmann Nadermann und Gemeindevorsteher Goeke), die bezüglich eines zweitägigen Festes sowohl beim Ehrenamtmann in Menden als auch beim Landrat in Iserlohn persönlich vorsprechen sollte.
Diese Kommission hatte endlich den gewünschten Erfolg. Allerdings wurden dafür auch höchste staatliche Stellen in Bewegung gesetzt. Nicht vom Ehrenamtmann in Menden, nicht vom Landrat in Iserlohn, sondern vom „Königlichen Regierungspräsidenten“ kam eigens die „Ermächtigung“, dem Verein eine zweitägige Feier zu gestatten.
Damit war der entscheidende Durchbruch erreicht: Am Sonntag, den 19., und Montag, den 20. Juli 1896, fand das erste zweitägige Schützenfest auf dem „Festplatz bei der Witwe Fildhaut“ (heute Fildhaut, Arnsberger Straße 48) statt. Der Samstag war also früher noch kein Schützenfesttag. In den folgenden Jahren war es kein Problem mehr, zweitägig zu feiern.

Das erste zweitägige Fest wurde in der „Mendener Zeitung“ mittels Anzeige beworben. Im Kassenbuch sind die Ausgaben für das Inserat unter dem Titel „Insertionsgebühren“ verbucht. In späteren Jahren wurde diese Art von Werbung häufig genutzt. Es wurde dabei nicht nur in der „Mendener Zeitung“, sondern sogar im „Westfälischen Volksfreund“ Hamm inseriert. Im redaktionellen Teil der „Mendener Zeitung“ erschien am 21. Juli 1896 folgender Artikel:
Unser diesjähriges Schützenfest nahm, vom schönsten Wetter begünstigt, den schönsten Verlauf. Der Besuch war ein starker.